PCB-Belastung: Landesweites Untersuchungs- und Minimierungsprogramm gestartet

Umweltministerin Heinen-Esser: Oberste Prämisse haben der Schutz von Mensch und Umwelt / Nach Vorfall in Ennepetal bisher sieben weitere Betriebe in Nordrhein-Westfalen potenziell betroffen.

4. März 2020

In Reaktion auf das Vorkommen von polychlorierten Biphenylen aus einer Anlage zur Silikonherstellung in Ennepetal hat das Umweltministerium ein Sonderuntersuchungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV), den Bezirksregierungen sowie den potenziell betroffenen Kommunen initiiert.

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

In Reaktion auf das Vorkommen von polychlorierten Biphenylen aus einer Anlage zur Silikonherstellung in Ennepetal hat das Umweltministerium ein Sonderuntersuchungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV), den Bezirksregierungen sowie den potenziell betroffenen Kommunen initiiert. „Ziel ist es, uns schnellstmöglich einen Überblick über die Lage in Nordrhein-Westfalen zu verschaffen, PCB-Emissionen bei silikonverarbeitenden Betrieben zu verhindern und ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen der Behörden im Land sicherzustellen. Oberste Prämisse haben der Schutz von Mensch und Umwelt“, sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser am Mittwoch (4. März 2020) in Düsseldorf. 
 
Das Umweltministerium hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der PCB-Vorkommen aus einer Anlage zur Silikonherstellung in Ennepetal das LANUV beauftragt, vergleichbare betriebliche Anlagen in Nordrhein-Westfalen zu ermitteln. Nach dem bisherigen Stand der Auswertungen setzen neben der Firma „biw“ in Ennepetal sieben weitere Betriebe in Nordrhein-Westfalen einen PCB-freisetzenden Vernetzer ein. Im Rahmen des Untersuchungsprogramms werden derzeit auf Basis der durchgeführten Ermittlungen erste Beurteilungen bei potenziell betroffenen Betrieben durchgeführt und bei Bedarf in Abstimmung mit der Kommune und dem Unternehmen individuelle Maßnahmenpläne erarbeitet.
 
Von den weiteren sieben potenziell betroffenen Betrieben haben folgende vier Unternehmen einer Veröffentlichung ihres Betriebsnamens und Unternehmenssitzes zugestimmt: SICO Gesellschaft für Silikonverarbeitung mbH in Witten, Silex in Herne, Kromberg & Schubert - Cable & Wire in Rhede sowie Prysmian Kabel und Systeme GmbH in Wuppertal. „Wir begrüßen den transparenten Umgang dieser Unternehmen. Insgesamt zeigen sich alle Unternehmen kooperativ bei den laufenden Untersuchungen“, sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Die Landesregierung bemüht sich, auch von den anderen bereits bekannten Betrieben die Zustimmung zu Bekanntgabe von Ort und Namen zu erhalten.
 
Nach den dem Umweltministerium vorliegenden Daten ist die Firma biw der mit Abstand größte silikonverarbeitende Betrieb in Nordrhein-Westfalen. Entscheidend für das weitere Vorgehen ist es, ob und wieviel PCB von den weiteren Betrieben emittiert werden. Dies wird derzeit intensiv untersucht. Neben den bekannten Partikelniederschlägen in der Nachbarschaft außerhalb des Betriebsgeländes in Ennepetal wurde auch im Umfeld des Betriebes in Witten Partikelniederschlag gefunden. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass darin PCB enthalten sind. Endgültige Ergebnisse aus dem LANUV werden kurzfristig erwartet.
 
Um gesicherte Erkenntnisse über die Umweltbelastung in der Nachbarschaft der Betriebe zu erhalten, wird an allen Standorten ein sogenanntes Löwenzahnscreening durch das LANUV durchgeführt. In Abhängigkeit von den Ergebnissen werden bei den Anlagen entsprechende Minderungsmaßnahmen umgesetzt.
 
Die Bundesregierung ist gefragt
Das Umweltministerium hatte unmittelbar nach Bekanntwerden den Bund und die Bundesländer über die festgestellte Entstehung von PCB im Prozess der Silikon-Kautschuk-Verarbeitung informiert. Zugleich hatte das Umweltministerium in Abstimmung mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) das Bundesumweltministerium in einem Schreiben aufgefordert, zeitnah eine rechtliche Prüfung und Klarstellung zum Vorkommen von polychlorierten Biphenylen (PCB) aus Anlagen zur Silikonherstellung vorzunehmen.
 
„Wir benötigen eine klare und bundesweit einheitliche Regelung für diese Produktionsprozesse und um die PCB-Emissionen dauerhaft zu vermeiden. Denn hierbei handelt es sich offenbar um ein Problem, das alle Bundesländer betrifft. Wir erwarten, dass das Bundesumweltministerium aktiv wird“, so Ministerin Heinen-Esser.

Hintergrund
Seit einigen Wochen sorgt ein Fall in Ennepetal für Aufsehen. Dort werden in einem Betrieb bei der Herstellung von Formteilen aus Silikon-Kautschuk durch den Einsatz eines chlorhaltigen Vernetzungsmittels polychlorierte Biphenyle (PCB) freigesetzt. Eine Nachbarschaftsbeschwerde hatte auf Partikelniederschläge („weiße Flocken“) im Umfeld der Firma aufmerksam gemacht. Untersuchungen dieser Flocken ergaben eine Belastung der Flocken mit den sogenannten PCB-Kongeneren 47, 51 und 68.
 
Nach aktuellem Kenntnisstand erfolgt die Aufnahme von PCB in der Bevölkerung überwiegend über die Nahrung. Um eine Zusatzbelastung zu vermeiden, hat der Ennepe-Ruhr-Kreis auf Basis von Untersuchungen des LANUV eine Verzehrempfehlung für selbst angebautes Gartengemüse ausgesprochen.
 
Relevant für die gesundheitlichen Wirkungen von PCB ist insbesondere die langfristige Aufnahme von PCB und die Anreicherung im Fettgewebe. Akute Wirkungen treten erst bei sehr hohen Konzentrationen auf, wie sie in Ennepetal nicht erreicht werden und auch an den anderen Standorten nach derzeitigen Kenntnisstand nicht erwartet werden. Bezüglich des Austrags von Flocken in den öffentlichen Raum ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine langfristige Schädigung der Gesundheit bei oraler Aufnahme durch Kinder im Krabbelalter nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Daher ist der Austrag der Flocken vordringlich zu unterbinden.
 
Mehr Informationen finden Sie hier sowie unter www.enkreis.de/katasterumwelt/umwelt/faq-pcb.html.
 
 

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