Jeder fünfte Jugendliche in Nordrhein-Westfalen ist stark einsam: Landesregierung stellt neue Einsamkeitsstudie in Berlin vor

Ministerpräsident Wüst: Einsamkeit ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Wir müssen verhindern, dass aus einsamen Kindern und Jugendlichen einsame Erwachsene werden

24. November 2023
Landesregierung stellt neue Einsamkeitsstudie in Berlin vor

Einsamkeit ist unter jungen Menschen in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet und hat durch die Corona-Pandemie vermutlich deutlich zugenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens.

Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Einsamkeit ist unter jungen Menschen in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet und hat durch die Corona-Pandemie vermutlich deutlich zugenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Demnach fühlt sich fast jeder fünfte ältere Jugendliche und junge Erwachsene stark einsam. Bis zu acht von zehn älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich mindestens moderat einsam; unter jüngeren Jugendlichen sind bis zu sieben von zehn betroffen.

Das sind Ergebnisse der Studie „Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie“, die ein Team rund um die renommierte Einsamkeitsforscherin Prof. Dr. Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt hat. In zwei Stichproben wurden dafür rund 950 Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren sowie knapp 1250 Achtklässler befragt. Die Ergebnisse hat Prof. Maike Luhmann gemeinsam mit Ministerpräsident Hendrik Wüst am Freitag, 24. November, in Berlin vorgestellt.

 

Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Einsamkeit ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Sie wirkt sich nicht nur auf das Leben der Betroffenen negativ aus. Einsamkeit fordert auch unser Gesundheits- und Sozialsystem heraus und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Politik muss den Kampf gegen Einsamkeit annehmen und zu einem Grundanliegen ihres Handelns machen. Alle staatlichen Ebenen müssen sich mit dem Phänomen grundsätzlich auseinandersetzen. Die Erkenntnisse dieser Studie und die Handlungsempfehlungen werden in unseren Aktionsplan gegen Einsamkeit einfließen. Die Ergebnisse der Studie sind ein Auftrag an uns alle. Wir müssen verhindern, dass aus einsamen Kindern und Jugendlichen einsame Erwachsene werden. Wir müssen uns konkrete Bewältigungsstrategien unserer Jugendlichen anschauen und prüfen, wie wir als Politik und Gesellschaft diese Wege gegen Einsamkeit unterstützen und ausbauen können.“

Die Landesregierung macht mit der Studie deutlich, wie wichtig es ist, auch junge Menschen bei der Bekämpfung von Einsamkeit zu berücksichtigen. Während Einsamkeit lange als ein Problem im hohen Alter betrachtet wurde, hat die Corona-Pandemie verdeutlicht, dass davon Menschen jeden Alters betroffen sein können. Einsamkeit bei jungen Menschen kann besonders lang anhaltende Folgen haben.

Auch deshalb schließt die neue Studie eine empirische Lücke. Erstmals wurden Kinder und Jugendliche gefragt, wie genau sie Einsamkeit bewältigen – zum Beispiel durch Kontakte zu Freunden, Sport oder die Nutzung von Medien – und wie sie sich dabei fühlen. Zudem liegt, anders als in vorherigen Studien, ein besonderes Augenmerk auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Prof. Dr. Maike Luhmann: „Die Zahlen deuten darauf hin, dass heute mehr Jugendliche und junge Erwachsene von Einsamkeit betroffen sind als vor der Pandemie. Einsamkeit ist zwar eine Erfahrung, die zum Leben dazugehört, wie man auch an den Zahlen zur moderaten Einsamkeit sieht. Aber aus starker Einsamkeit kommen viele nicht mehr alleine heraus, und deshalb besorgt mich der gestiegene Anteil der stark Einsamen unter den älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“

Die Ergebnisse zeigen zudem, dass Jugendliche mit finanziellen Problemen stärker von Einsamkeit betroffen sind. Einsame Jugendliche verbringen weniger Zeit mit ihren Freundinnen und Freunden oder sportlichen Aktivitäten und mehr Zeit mit alleiniger Mediennutzung. Laut den Daten können viele Jugendliche angemessen mit Einsamkeit umgehen. „Einige reagieren hingegen auf akute Einsamkeit mit Verhaltensweisen, die langfristig unwirksam oder sogar schädlich sein können, zum Beispiel beschäftigen sie sich allein oder verdrängen die Einsamkeitsgefühle, was langfristig dazu führen kann, dass sie sich weiter isolieren und so ihre Einsamkeit verschärfen“, so Prof. Luhmann.

Zudem berichten einsame Jugendliche häufiger über die Aufnahme einer Psychotherapie, Diskriminierungserfahrungen oder besondere persönliche Belastungen wie negative Lebensereignisse.

Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Wir müssen das Thema Einsamkeit aus der Tabuzone holen und unsere Jugendlichen dort ansprechen, wo sie ohnehin bereits sind: in der Schule und online. Weil Freundschaften, Sport und Bewegung Einsamkeit besonders gut vorbeugen, stärken wir genau die Institutionen, die diese Räume der Begegnung schaffen und erhalten.“

  • Video: Land NRW

24.11.2023

Podiumsdiskussion

In einer anschließenden Talkrunde diskutierte Prof. Luhmann mit Franca Cerutti, Psychologin und Podcasterin, Andrea Lehmann, Projektreferentin des Malteser Projekts „Miteinander-Füreinander – Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ sowie Maxi Gstettenbauer, Comedian und Autor des Buches „Meine Depression ist deine Depression. Ein Buch gegen das Alleinsein“.

Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen eine gezielte Kampagne, die über Einsamkeit aufklärt, zu Bewältigungsstrategien informiert und das Stigma reduziert. Darüber hinaus raten sie unter anderem, Risikogruppen besonders in den Blick zu nehmen; dazu zählen etwa Haushalte mit finanziellen Einschränkungen oder arbeitslose Jugendliche. Freizeitangebote und Aufenthaltsorte sollten so gestaltet sein, dass sie Begegnungen ermöglichen. Zudem hilfreich sein könnten Maßnahmen, die soziale und emotionale Kompetenzen stärken, sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung und Vorurteile und für Toleranz und Integration.

Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie

24.11.2023

Prof. Dr. Maike Luhmann et al. (2023)

Einsamkeit wurde lange Zeit vor allem als ein Problem des hohen Alters betrachtet. Doch mit der CO- VID-19-Pandemie wurde vielen bewusst, dass Einsamkeit Menschen jeden Alters treffen kann. Besonders stark scheinen die Auswirkungen der Pandemie für Jugendliche und junge Erwachsene zu sein. Mit dieser von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalens (NRW) beauftragten Studie sollen einige Lücken im empirischen Forschungsstand zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschlossen werden, mit einem besonderen Fokus auf NRW.

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24.11.2023

Ruhr-Universität Bochum

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24.11.2023

Psychologin und Podcasterin

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