Der Kampf gegen Clankriminalität geht weiter: Lagebild 2022 veröffentlicht

Reul: Wir setzen den Dauerlauf im Kampf gegen Clankriminelle fort, die Kondition dafür haben wir

22. August 2023
Herbert Reul

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA NRW) hat das Lagebild Clankriminalität für das Jahr 2022 vorgelegt.

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Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA NRW) hat das Lagebild Clankriminalität für das Jahr 2022 vorgelegt. Hieraus gehen ein Anstieg der Straftaten sowie ein Anstieg der Tatverdächtigen mit Clanbezug hervor. Insgesamt wurden für das Berichtsjahr 6.573 Straftaten mit Clanbezug registriert. Das ist eine Steigerung um 20,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2021: 5.462). 30,9 Prozent der Straftaten sind sogenannte Rohheitsdelikte wie beispielsweise Raub, Bedrohung oder Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie etwa Freiheitsberaubung. Dezidiert neuartige Strukturen im Bereich der Clankriminalität werden in diesem Lagebild (noch) nicht betrachtet.

Innenminister Herbert Reul: „Clankriminalität lässt sich nicht wegreden. Wir sehen, dass kriminelle Mitglieder von Clans weiter auf unseren Straßen unterwegs sind und ihre Fäuste nicht in den Hosentaschen lassen. Die Gewaltbereitschaft ist enorm. Deshalb gilt null Toleranz – heute wie morgen. Niemand läuft einen Marathon in einer Stunde. Unseren Dauerlauf im Kampf gegen Clankriminelle setzen wir fort, die Kondition dafür haben wir.“

Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (2.031) haben 2022 im Vergleich zum Vorjahr (1.529) ist um 32,8 Prozent zugenommen, während diese Delikte insgesamt – ähnlich wie im Vorjahr – ein knappes Drittel ausmachen. 14,9 Prozent der registrierten Straftaten waren Vermögens- und Fälschungsdelikte (981). 14,6 Prozent der Straftaten waren Diebstähle (958). Hier ist mit einem Plus von 78,4 Prozent eine große Fallzahlensteigerung zu verzeichnen (2021: 537).

Das LKA NRW hat zudem einen Anstieg bei der Anzahl der Tatverdächtigen registriert. Insgesamt wurden 4.035 Tatverdächtige mit Clanbezug gezählt. Das ist ein Anstieg um 11,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2021: 3.629). Die Tatverdächtigen sind ganz überwiegend männlich (81,1 Prozent) und zwischen 26 und 30 Jahre alt. Im Jahr 2022 hatten insgesamt 2.156 (53,4 Prozent) Tatverdächtige die deutsche Staatsangehörigkeit, 672 (16,7 Prozent) der Tatverdächtigen wiesen die syrische Staatsangehörigkeit auf, 550 (13,6 Prozent) die libanesische. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil syrischer Tatverdächtiger um 2,5 Prozentpunkte gestiegen (2021: 517; 14,2 Prozent).

Die nordrhein-westfälische Polizei hat im Jahr 2022 im Rahmen von 615 Razzien über 1.570 Objekte kontrolliert, darunter (jeweils über) 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbüros. 23,2 Prozent der Objekte wurden unmittelbar durch die Behörden geschlossen, unter anderem wegen fehlender Konzessionen, aufgrund von Hygienemängeln oder wegen baurechtlicher Mängel. Im Rahmen der Kontrollen bei Gewerbebetrieben fertigten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mehr als 820 Strafanzeigen. Auch sieben Straftaten zum Nachteil von Vollstreckungsbeamten wurden erfasst.

Die meisten Straftaten im Bereich der Clankriminalität wurden im Ruhrgebiet in den Zuständigkeitsbereichen der Kreispolizeibehörden Essen (11,2 Prozent), Recklinghausen (8,4 Prozent) und Gelsenkirchen (6,6 Prozent) registriert.

Zuletzt kam es im Juni 2023 in Essen und Castrop-Rauxel zu einer größeren gewaltsamen Auseinandersetzung unter Beteiligung krimineller Clan-Mitglieder. Ähnliche Tumultlagen wie diese gab es auch im Berichtsjahr. So kam es etwa im Juni 2022 in Essen-Altendorf zu einer Auseinandersetzung zwischen Angehörigen zweier türkisch-arabischer Großfamilien. Circa 200 Personen waren beteiligt. Vier Personen wurden durch Messer, Schlagstöcke oder andere gefährliche Gegenstände verletzt. Die Polizei leitete elf Ermittlungsverfahren gegen 28 Verdächtige ein. Insgesamt ist die Anzahl derartiger Tumultlagen in Nordrhein-Westfalen von 179 im Jahr 2017 auf 37 im Jahr 2022 zurückgegangen.

Innenminister Herbert Reul betont: „Das Recht der Familie gilt bei uns nicht. Und Friedensrichter sind Erfindungen, die hier in Nordrhein-Westfalen sicher nicht patentiert werden. Das Gewaltmonopol des Staates ist nicht verhandelbar – egal wer sich da in die Haare kriegt.“

Im Berichtsjahr 2022 hat sich die Arbeit der Sicherheitskooperation Ruhr (SiKo-Ruhr) erneut bezahlt gemacht. Dazu gehören insbesondere die behördenübergreifende Vernetzung, der Wissenstransfer sowie die gemeinsame Aus- und Bewertung von Informationen. Die SiKo-Ruhr unterstützte in einem Ermittlungsverfahren der Bundespolizeidirektion Kleve, so dass dieser eine großer Ermittlungserfolg gelang: Es konnten sieben türkisch-arabischstämmige Tatverdächtige aus dem Clan-Milieu aus dem Raum Essen, Aachen und Bremen ermittelt werden. Im Jahr 2020 sollen sie über 1.400 hochwertige Markenstaubsauger im Wert von circa 600.000 Euro gestohlen und anschließend weiterverkauft haben.

Im aktuellen Lagebild wurde die Zahl der Clannamen von 113 auf 116 erweitert. Das LKA NRW wertet das Phänomen Clankriminalität (bislang) auf Grundlage einer namensgebundenen Recherche aus. Die in der bundesweit in polizeilichen Gremien abgestimmte Definition geforderte familiäre oder ethnische Verbundenheit wird dabei durch einen gemeinsamen Nachnamen als gegeben angesehen. Basis für die Namensliste ist eine Einschätzung der regionalen Analyse- und Auswertedienststellen für Organisierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen für den Betrachtungszeitraum.

2018 veröffentlichte das LKA NRW erstmalig ein Lagebild Clankriminalität und erstellt dieses seitdem jährlich. Die Lagedarstellung basiert auf den erfassten Straftaten der Polizei, die von Tatverdächtigen mit einem von den Ermittlungsbehörden als clanrelevant definierten Familiennamen begangen wurden. Im Lagebild 2022 werden ausschließlich kriminelle Angehörige türkisch-arabischer Großfamilien erfasst, sofern Bezüge zum Libanon oder zur Bevölkerungsgruppe der Mhallamiye vorliegen. Das LKA NRW ist – vor dem Hintergrund kriminalpolizeilicher Erkenntnisse und der jüngeren gewalttätigen Auseinandersetzungen in Castrop-Rauxel und Essen – damit beauftragt, zu prüfen, inwiefern eine Betrachtung beziehungsweise eine Erweiterung des Lagebildes um kriminelle Angehörige anderer bisher nicht erfasster Clanstrukturen kriminalfachlich als geboten erscheint.

Innenminister Reul dazu: „Die Struktur der Tatverdächtigen, der Straftaten und der regionalen Schwerpunkte verändert sich von Jahr zu Jahr, wenn auch manchmal nur im Detail. Wer das Phänomen erfolgreich bekämpfen will, muss dranbleiben und Neuerungen im Blick behalten. Und genau das machen wir – ganz sicher auch im nächsten Jahr.“ 

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