Bottroper Apothekerskandal: Auch erweiterte Vergleichsstudie zeigt keine höheren Rückfall- oder Sterberaten auf

Auswertung von Proben der NRW-Apothekenüberwachung für die Jahre 2018 bis 2022 belegt gute Qualität von Zytostatika in Nordrhein-Westfalen

21. Dezember 2023
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2021 hat das Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie den Abschlussbericht zu einer Vergleichsstudie vorgelegt, die die Daten der Krankheitsverläufe von Krebspatientinnen und -patienten auswertete (bis 2016), die über die Alte Apotheke Bottrop mit Krebstherapeutika versorgt wurden. Das BIPS hat nun die Ergebnisse um die Auswertung der Patientendaten aus dem Zeitraum 2017 bis 2019 erweitert.

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2021 hat das Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) den Abschlussbericht zu einer Vergleichsstudie vorgelegt, die die Daten der Krankheitsverläufe von Krebspatientinnen und -patienten (Brustkrebs und Blut- und Lymphdrüsenkrebs) auswertete, die über die Alte Apotheke Bottrop mit Krebstherapeutika versorgt wurden. Ziel war es, die Unterschiede der Krankheitsverläufe zu Krebspatientinnen und -patienten zu untersuchen, die über andere Apotheken versorgt wurden. Während bisher nur Daten bis zum Jahr 2016 vorlagen, hat das BIPS nun die Ergebnisse um die Auswertung der Patientendaten aus dem Zeitraum 2017 bis 2019 erweitert.

Wie bereits im ursprünglichen Abschlussbericht zeigte sich auch mit dem erweiterten Beobachtungszeitraum, dass in der Gruppe „Apotheke Bottrop" bei Brustkrebspatientinnen Rezidive (also Rückfälle) nicht häufiger aufgetreten sind. Auch die Beobachtung, dass nicht mehr Patientinnen und Patienten in der Gruppe „Apotheke Bottrop" an Blut- und Lymphdrüsenkrebs verstorben sind als in der Vergleichsgruppe, hat sich durch die Studienerweiterung bestätigt. Die Erweiterung des Betrachtungszeitraumes hat allerdings noch einmal gezeigt, dass in der Gruppe „Apotheke Bottrop” die Gesamtzahl an Tagen, an denen individuell zubereitete Krebstherapeutika abgegeben wurden, im Vergleich zur Kontrollgruppe statistisch signifikant erhöht war. Sie mussten also durchschnittlich mehr Chemotherapien erhalten, als Patientinnen und Patienten aus der Vergleichsgruppe.

„Zu beachten ist, dass es sich bei der Studie lediglich um einen Gruppenvergleich der Krankheitsverläufe handelt. Es kann daraus nicht geschlossen werden, dass es bei keinem der Patientinnen oder Patienten zu einem ungünstigeren Krankheitsverlauf aufgrund der unterdosierten Zubereitungen aus der Apotheke Bottrop kam. Das heißt für Einzelfälle kann keine Aussage getroffen werden”, so Studienleiterin Professorin Ulrike Haug.

Unabhängig von der Vergleichsstudie hat das Landeszentrum für Gesundheit (LZG) die Ergebnisse der Probenzüge in Apotheken, die patientenindividuelle Onkologika herstellen, ausgewertet. Seit der Neuordnung der Apothekenüberwachung in Nordrhein-Westfalen als Folge des Bottroper Apothekerskandals im Jahr 2018 findet in Schwerpunktapotheken, die Krebsmedikamente herstellen, mindestens einmal jährlich ein unangemeldeter Probenzug statt. Die Auswertung der in den Jahren 2018 bis 2022 gezogenen Proben zeigt, dass die chemische Qualität der in Nordrhein-Westfalen patientenindividuell hergestellten Zubereitungen für onkologische Behandlungen gut ist.

„Bei dem Fall des Bottroper Apothekers handelt es sich um ein unfassbares Verbrechen. Das Leid, welches schwer erkrankten Menschen und ihren Angehörigen durch die kriminelle Energie des Apothekers zugefügt worden ist, macht mich immer noch fassungslos und sehr betroffen. Ich hoffe sehr, dass die hier vorgestellten Ergebnisse der BIPS-Vergleichsstudie zu einer weiteren Aufarbeitung des Falles beitragen und den Opfern sowie ihren Angehörigen helfen, das Geschehene zu verarbeiten. Und: Wir werden alles daransetzen, dass der Fall Bottrop ein Einzelfall bleibt“, erklärt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

Hintergrund

Mit der Verhaftung des ehemaligen Inhabers der „Alten Apotheke Bottrop“ Ende 2016 wurde bekannt, dass über Jahre hinweg parenterale Krebstherapeutika hergestellt und abgegeben wurden, die eine reduzierte Wirkstoffmenge oder keinen Wirkstoff enthielten. Über 50 Prozent der damals sichergestellten Zubereitungen, die an dem Tag der Verhaftung durch die Apotheke an Onkologen ausgeliefert werden sollten, erwiesen sich nach Untersuchung als minderdosiert oder gänzlich frei von Wirkstoff. Der volle Umfang der Taten des mittlerweile zu zwölf Jahren Haft und einem lebenslangen Berufsverbot nach höchstrichterlicher Bestätigung rechtskräftig Verurteilten bleibt bis heute unklar. Das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung wurde durch diesen Fall schwer erschüttert.

Nachdem eine Machbarkeitsstudie gezeigt hatte, dass eine Vergleichsstudie anhand von Krankenkassendaten prinzipiell durchführbar ist und für die Krankheitsbilder Brustkrebs und Blut-/Lymphdrüsenkrebs statistisch belastbare Ergebnisse erbringen kann, wurde die Vergleichsstudie vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben. Der Abschlussbericht zu dieser Studie, die ursprünglich Daten bis Ende 2016 einbezog, wurde im April 2021 vorgelegt. Um längerfristige Auswirkungen beurteilen zu können, wurde der Untersuchungszeitraum anschließend nochmals um die Daten der Jahre 2017 bis 2019 erweitert.

Die Zusammenfassung der erweiterten Vergleichsstudie sowie die Zusammenfassung der Auswertung des LZG NRW zu den Untersuchungen der Proben ist unter folgenden Links abrufbar:

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