NRW-Landesregierung bereitet Bundesratsinitiative zur gesetzlichen Regelung der Haltung von Mastputen vor

16. Januar 2015

Die Mast von Puten ist für die meisten Tiere ein sehr schmerzhafter Prozess. Die Tiere leiden unter entzündeten Fußballen, Blasenbildungen an der Brust und Beinschwächen auf Grund des hohen Gewichts in der Endphase der Mast. Die Ursache dafür liegt in einer Kombination aus Überzüchtung und unzureichenden Haltungsbedingungen.

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

Die Mast von Puten ist für die meisten Tiere ein sehr schmerzhafter Prozess. Die Tiere leiden unter entzündeten Fußballen, Blasenbildungen an der Brust und Beinschwächen auf Grund des hohen Gewichts in der Endphase der Mast. Die Ursache dafür liegt in einer Kombination aus Überzüchtung und unzureichenden Haltungsbedingungen. Daraus resultieren für die Tiere eine Vielzahl von Belastungen, wie etwa Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Skelettsystems und auch Atemwegserkrankungen. Dass viele Puten diese intensive Art der Mast oft nur durch einen hohen Einsatz von Medikamenten überstehen, zeigt ein Fachbericht des NRW-Verbraucherschutzministeriums von November 2014. Demnach werden in neun von zehn Mast- und Aufzuchtdurchgängen in der Putenhaltung Antibiotika zur Behandlung von Krankheitssymptomen eingesetzt. Diesen Kreislauf zu durchbrechen ist Ziel einer Bundesratsinitiative der NRW-Landesregierung, deren Eckpunkte auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurden und mit der gesetzlich vorgeschriebene Haltungsbedingungen vorgegeben werden sollen. „Ein ‚Weiter so‘ wird es mit uns nicht geben“, erklärte NRW-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Johannes Remmel auf der Eröffnungs-Pressekonferenz zur Grünen Woche in Berlin. „Um den Medikamenteneinsatz zu reduzieren, müssen wir an der Ursache ansetzen und das heißt, wir müssen die Haltungsbedingungen verbessern.“
 
Mit den „Bundeseinheitlichen Eckwerten für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen“ von 1999, die im Jahr 2013 aktualisiert wurden, existiert lediglich eine Selbstverpflichtung der Geflügelbranche, deren Einhaltung freiwillig ist. „Die Bundesregierung muss aufhören, sich hinter freiwilligen Vereinbarungen zu verstecken. Wir brauchen endlich verbindliche Mindeststandards für die Putenhaltung, die auch kontrolliert und eingefordert werden können. Nur so können wir die Putenhaltung tiergerecht gestalten und den Einsatz von Antibiotika in der Putenhaltung reduzieren“, betonte Remmel.
 
Durch die Bundesratsinitiative soll eine Ergänzung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung (TierSchNutztV) erfolgen, die rechtsverbindliche Regelungen zur Putenhaltung enthält, wie sie beispielsweise bereits für Hühner und Schweine existieren. Dabei setzt Minister Remmel auf die Zusammenarbeit unter anderem mit den nordrhein-westfälischen Landwirtschafts- und Tierschutzverbänden, um einen ersten Entwurf einer Puten-Verordnung in den Bundesrat einbringen zu können. „Wir benötigen die Expertise auch aus der Praxis und werden deshalb Ende Januar ein Dialogverfahren zu unserer Bundesratsinitiative starten“, erläuterte Remmel.
 
Minister Remmel stellte einen Forderungskatalog mit insgesamt 16 Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingen in der Putenmast und -aufzucht vor. Dazu gehören zum Beispiel

  • die Reduzierung der Besatzdichte, um den Puten den notwendigen Raum für ein tiergerechtes Bewegungs- und Ruheverhalten zu geben,
  • eine ausreichende Strukturierung des Stalls, um bei Rangkämpfen dem unterlegenen Tier eine Rückzugsmöglichkeit zu gewähren,
  • das Anbringen von Sitzstangen und anderen erhöhten Sitzmöglichkeiten, um das arteigene Bedürfnis zum sogenannten Aufbaumen ausleben zu können und damit Sozialstress zu vermeiden,
  • die Gewährleistung einer stets trockenen Einstreu, um Ekzemen an den Fußballen und anderen Krankheiten vorzubeugen,
  • die Anforderungen an die Fütterungs- und Tränketechnik zu optimieren, um Rangkämpfe um die besten Futterplätze zu vermeiden,
  • eine regelmäßige Reinigung der Tränkanlagen, um die Bildung von Biofilmen mit schädlichen Bakterien und Medikamentenrückständen in den Tränkwasserleitungen zu verhindern. 
 
Betrug der Putenbestand im Jahr 1970 noch rund 850.000 Tiere, ist er inzwischen auf rund elf Millionen Puten in Deutschland angestiegen. Davon werden rund 1,6 Millionen Mastputen in Nordrhein-Westfalen gehalten. Die Putenmast ist damit ein bedeutender Wirtschaftszweig, der laut Minister Remmel die Halter in die Pflicht nimmt, die Tiergesundheit zu verbessern: „Wir sehen auch in der Putenmast die schädlichen Symptome des Systems der Intensivtierhaltung. Die Haltungsbedingungen orientieren sich nicht ausreichend an den Bedürfnissen der Tiere, sondern sind einseitig an maximaler Effizienz und möglichst hoher Leistung ausgerichtet. Schnäbelkürzen, Schweineschwänze kupieren und das Töten von Küken sind noch immer gängige Praxis. Es ist Aufgabe der Politik, aber auch der Verbände, hier Lösungen anzubieten und die Tiergesundheit zu verbessern.“ Remmel schlug vor, sich nicht nur Gedanken um die Haltung von Nutztieren zu machen, sondern auch die Ziele in der Zucht zu überdenken: „In der Zucht von Tieren muss mehr Wert auf Tiergesundheit und nicht alleine auf eine höhere Leistung gelegt werden. Mehr Leistung geht nämlich in der Regel immer auf Kosten der Tiere und ihrer Gesundheit. Dies führt wieder zu einem erhöhten Medikamenteneinsatz, den wir nicht länger hinnehmen können.“
 
Der Forderungskatalog zur Putenhaltung kann heruntergeladen werden unter www.umwelt.nrw.de
 
Informationen zu den Antibiotikastudien des NRW-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministeriums sind zu finden unter https://www.umwelt.nrw.de/ministerium/presse/presse_aktuell/presse141125.php.
 

Zum Hintergrund:

Das NRW-Verbraucherschutzministerium hat bereits mit zwei Studien belegt, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast inzwischen gängige Praxis ist, die antibiotikafreie Tiermast hingegen nur noch die Ausnahme: Im November 2011 wurde durch die NRW-Antibiotikastudie erstmals in der Bundesrepublik in einer umfassenden Erhebung ermittelt, dass bei neun von zehn Masthühner Antibiotika eingesetzt wurden.
 
Im Juli 2012 ergab die vertiefende NRW-Verschleppungsstudie, dass Mastgeflügel in NRW offenbar auch außerhalb von Therapiezeiten in Kontakt mit Antibiotika gekommen ist: In 26 von 42 (rund 62 Prozent) überprüften Ställen wurden auffällige Rückstände antibiotisch wirksamer Substanzen in Tränkwasser ermittelt.

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