NRW und Nord-Pas-de-Calais, Chancen für eine vertiefte Kooperation

26. Juni 2012
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Ich freue mich sehr, dass ich heute die Gelegenheit habe,
bei der Regionalkonferenz der Vereinigung der Deutsch-
Französischen Gesellschaften (VDFG) in Nordrhein Westfalen
zu sprechen und über die Gelegenheit, hier Vertreter
aus deutsch-französischen Gesellschaften, Partnerstädten
und Partnerschaftskomitees zu treffen.

Rede von Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren bei der Regionalkonferenz der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften (VDFG) in Nordrhein Westfalen und einiger Partnervereine

im Historischen Rathaus Arnsberg

am 16.6.2012



Sehr geehrter Herr Fritz (als Vorsitzender der VFDG Veranstalter)

Sehr geehrte Damen und Herren!

I.

Ich freue mich sehr, dass ich heute die Gelegenheit habe, bei der Regionalkonferenz der Vereinigung der Deutsch-Französischen Gesellschaften (VDFG) in Nordrhein Westfalen zu sprechen und über die Gelegenheit, hier Vertreter aus deutsch-französischen Gesellschaften, Partnerstädten und Partnerschaftskomitees zu treffen.

Denn Ihnen ist es zu verdanken, dass die deutsch-französische Freundschaft so lebendig ist und aktiv im Zeichen eines vereinten Europa gelebt wird. Das freut mich als Europaministerin des Landes Nordrhein Westfalen und als überzeugte Europäerin ganz besonders. Deshalb gilt Ihnen, den Vertretern der deutsch-französischen Gesellschaften und den Vertretern der Partnerstädte und Partnerschaftskomitees für ihr unermüdliches und starkes Engagement mein besonderer Dank.

Zudem ist es eine Ehre, eine solche Zusammenkunft im Lichte der Erinnerung an Franz Stock, einem großen Vorbild der deutsch-französischen Freundschaft, durchführen zu können.

Franz Stock hat in den finstersten Zeiten der deutschen Geschichte einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass eine Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen überhaupt möglich wurde. Durch sein couragiertes Handeln als deutscher Seelsorger in den Gestapo-Gefängnissen von Paris hat er gezeigt, dass selbst unter den schrecklichsten Bedingungen, als deutscherseits die bilateralen Beziehungen unserer Länder auf einem moralischen Tiefpunkt waren, dennoch Humanität möglich ist. Damit hat er die Hoffnung geweckt, dass es auch ein anderes Deutschland geben kann und gibt.

Das Gedenken an ihn als Vorbild wach zu halten, wie mit der aktuellen Ausstellung, die seinen Lebensweg nachzeichnet, ist eine sehr verdienstvolle Aufgabe. Dafür möchte ich dem Franz-Stock-Komitee für Deutschland meinen aufrichtigen Dank aussprechen.

II.

Die deutsch-französische Freundschaft hat schon lange einen ganz besonderen Stellenwert in Europa: Die Aussöhnung von Deutschland und Frankreich nach dem 2. Weltkrieg galt als Voraussetzung für den Frieden in Europa - gleichwohl sie zu jener Zeit alles andere als selbstverständlich war.

Dennoch wurden gleich nach Kriegsende, im Jahr 1945 erste dezentrale Annäherungsversuche über die Gründung von Städtepartnerschaften gemacht. Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951, der Vorgängerin der Europäischen Union, wurde die Zusammenarbeit schließlich offiziell vollzogen und die politischen und kulturellen Beziehungen der beiden Länder fortan verstärkt.

Der Elysée-Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit von 1963, dessen 50. Jahrestag wir im nächsten Jahr feiern werden, hat die Aussöhnung Frankreichs und Deutschlands symbolisch besiegelt. Der Elysée-Vertrag war gleichzeitig die Grundlage für wichtige deutsch-französische Initiativen, denen große Schritte der europäische Integration zu verdanken sind: die Einheitliche Europäische Akte, der Maastricht-Vertrag, der Euro, der Schengen-Raum und der Aufbau einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Die deutsch-französische Versöhnung zählt neben der deutsch-polnischen zu den bedeutendsten positiven Entwicklungen in der europäischen Geschichte.

Frankreich ist der wichtigste Partner Deutschlands bei der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit in
Europa. Nicht umsonst sprechen wir vom deutsch-französischen Paar (couple franco allemand) oder vom deutsch-französischem Tandem. Den Begriff der Achse mag ich nicht: Achsen waren in der Vergangenheit immer Zusammenschlüsse, die sich aggressiv gegen andere richteten.

Das ist ausdrücklich nicht das Ziel der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Anstatt Misstrauen und Feindseligkeit herrscht heute in Frankreich und Deutschland zwischen den Menschen zunehmend ein Gefühl der Verbundenheit und Zusammenge-hörigkeit.

Das ist der eigentliche Quantensprung in der europäischen Geschichte.

III.

(Anrede,)

Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zum Thema Europa sagen:

Die EU sieht sich seit Beginn der weltweiten Finanzkrise vielerlei Kritik und auch großer Skepsis ausgesetzt. War die EU in den vergangenen Jahren in den Medien oft eher ein Randthema, so sind die Zeitungen jetzt täglich voller Schlagzeilen: von einem Euro, der seine schwerste Bewährungsprobe zu bestehen habe, vielleicht vor dem Zerfall stehe, bei den einen zu unerträglichen Sparanstrengungen geführt habe und die anderen (uns Deutsche) zu Melkkühen degradiere:

Aber nicht nur das Ansehen und der Stand unserer Währungsunion machen mir als Europaministerin Sorge. Vielmehr bin ich betroffen, wenn das gemeinsame Projekt „Europa“ insgesamt in Frage gestellt wird.

Zunehmend beherrschen Ängste die Debatte. Euro-Gegner, Euroskeptiker, populistische und sogar nationalistische Bewegungen und Parteien gewinnen an Stärke. Es mehren sich die Zweifel und die Zweifler am Projekt des vereinten Europas.

Unsicherheit macht sich in der Gesellschaft breit, Furcht vor der Zukunft, vor der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Verunsicherung darüber, ob der Euro bestehen bleibt, ob hohe Inflation vermieden werden kann, ob die notwendigen Hilfsleistungen zu schultern sind, und ob es nicht überhaupt besser wäre, sich von der europäischen Integration zu verabschieden.

Ich halte es aus den genannten Gründen für dringend notwendig, die Debatte aus einem anderen Blickwinkel zu
führen und daran zu erinnern, dass Europa nicht den
Finanzmärkten gehört, sondern vor allem ein Europa der Bürgerinnen und Bürger  ist.

Denn Europa ist trotz der aktuellen Krise eine Erfolgs-geschichte!

Europas Bürger und Bürgerinnen haben aus ihrer schrecklichen Geschichte gelernt und nach dem zweiten Weltkrieg das Projekt eines vereinten Kontinents gestartet, um dauerhaft Frieden zwischen seinen Völkern zu schaffen. Dies ist ihnen nach Jahrhunderten endlich gelungen.

Die europäische Gemeinschaft ist in der Überzeugung gegründet worden, dass Europa nur im gemeinsamen Handeln und in der Überwindung der nationalen Grenzen eine Zukunft haben würde. Dieser Zusammenschluss einer immer größeren Zahl europäischer Staaten hat nicht nur den Frieden gesichert, sondern auch zu einer beispiellosen Förderung des Wohlstands beigetragen.

So hat sich gezeigt, Zitat: Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen (Goethe).

Daran sollten wir festhalten; wenn wir die aktuelle Krise betrachten und zurückschauen, wie weit wir bereits gekommen sind.

Vor diesem Hintergrund möchte ich zunächst gerne einmal rekapitulieren, wo Europa heute steht, und was wir gemeinsam erreicht haben. Denn ich halte es für wichtig, darauf hin zu weisen, dass wir in der EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten trotz mancher Unzulänglichkeiten, die wir zu Recht beklagen, ein Ausmaß von Einigkeit, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit erreicht haben, das seinesgleichen sucht!

Wir haben zum Beispiel

o      den freien Personenverkehr

o      einen funktionierenden Binnenmarkt,

o      ein hohes Maß an Umwelt- und Verbraucherschutz

o      eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen den Klimawandel

o      eine sich entwickelnde Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,

o      einen Europäischen Grundrechtestandard, um die uns Menschenrechtsbewegungen weltweit beneiden!

Alles dies bestimmt unsere Lebenswirklichkeit mit absoluter Selbstverständlichkeit.

IV.

Nach Ende des Kalten Krieges ist die Globalisierung als zentrale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingung immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die europäische Antwort auf neue globale Herausforderungen bestand in der Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes und der Wirtschafts- und Währungsunion.

Heute ist die Europäische Union der größte Binnenmarkt und zugleich der größte Exporteur der Welt. Der gemeinsame Binnenmarkt bietet weiterhin ein enormes Potential für Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen – trotz der Krise.

Um dessen Chancen auch in Zukunft nutzen zu können, muss die Europäische Union sich jedoch noch weiter zusammenschließen. Denn nur in der Gemeinschaft kann Europa als ein „global player“ auftreten. Hierzu müssen wir die Bedingungen schaffen und die aktuelle Krise als Chance betrachten, von oben  - aber auch von unten!

Viele wirtschaftspolitische Entscheidungen zum Krisenmanagement in Europa sind in den vergangenen Monaten bei Strandspaziergängen und anschließenden intergouvernementalen Vereinbarungen - an den Europäischen Institutionen vorbei – getroffen worden. Das ist aus meiner Sicht nicht gut! Und muss sich ändern.

Ich bin überzeugt: Die Krise in der Eurozone wird zu einem tiefgreifenden Umbau des europäischen Hauses führen. Die Bewältigung der Krise macht es erforderlich, dass die europäische Integration weiter voranschreitet. Europa wird langfristig seine not­wendige Stabilität und das erforderliche Vertrauen in und außerhalb von Europa nur erreichen können, wenn wir zu deutlichen Fortschritten bei einer gemein­samen europäischen Wirtschafts- und Fiskalpolitik kommen. Es müssen rasch neue politische Strukturen geschaffen werden, die die EU handlungsfähiger machen. Dabei muss klar sein, dass man füreinander haftet und füreinander einsteht. Europa muss solidarisch zusammenstehen.

Und: der Umbau Europas ist in vollem Gange. Die EU hat innerhalb weniger Monate ihre Struktur verändert, vor allem die Euro-Länder haben Schlag auf Schlag nationale Kompetenzen an die europäische Ebene abgetreten. Und der Wandel geht in einem rasanten Tempo weiter.

Anrede,

Auch wenn die Funktionsfähigkeit des deutsch-französischen Tandems  Merkozy - jetzt mit einem neuen Tandem - in den Medien beschworen wurde, eines ist auch klar: Mehr Demokratie in Europa ist erforderlich! Die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu einem mehr an Europa wird es nur geben, wenn die Politik nicht über ihre Köpfe hinweg gemacht wird.

Jeder vierte Europäer unter 25 Jahren ist heute arbeitslos – in Frankreich liegt die offizielle Quote bei 22,6, %, in Griechenland und Spanien bei 50 %. Nicht nur unter der europäischen Jugend wächst die Wut über eine Politik, die einerseits bereit ist, mit riesigen Summen
Banken zu retten, aber andererseits die Zukunft der Jugend verspielt. Überall in Europa wird auf den Straßen die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit laut. Wozu ist Europa gut? Wie viel ist uns Europa wert? Welches Modell kann und soll die Zukunft Europas im 21. Jahrhundert gewährleisten? Das sind aus meiner Sicht Themen, die angesprochen und mit allen diskutiert werden müssen.

Der harte Sparkurs hat nicht nur Griechenland in eine tiefe Depression getrieben, er hat auch in den anderen EU-Ländern starke verteilungspolitische Konsequenzen. Die Lasten der Anpassungsprogramme müssen von der

breiten Bevölkerung getragen werden. Sozial schwache Gruppen leiden besonders intensiv.

Aus meiner Sicht werden die Eurozone und die Europäische Union insgesamt nicht aus der Krise herauskommen, wenn es nicht zu nachhaltig ausgerichtetem Wachstum kommt. Dieses Wachstum wird nicht durch Sparmaßnahmen oder durch Umstrukturierungen induziert, sondern nur durch starke zusätzliche Wachstumsimpulse. Da bin ich mit dem neuen Französischen Präsidenten ganz einer
Meinung.

V.

Anrede,

Das geeinte Europa können wir jedoch nicht allein durch Verträge und politische Vereinbarungen bauen. Denn keine noch so gut formulierte diplomatische Übereinkunft und kein noch so präzise gefasster Wirtschaftsvertrag kann allein Grenzen zwischen Völkern abbauen und Freundschaft sowie Frieden entstehen lassen. Ohne den Rückhalt in der Zivilgesellschaft wären diese Verträge nur eine leere Hülle. Erst das Engagement der Bürgerinnen und Bürger füllt die Hülle mit Inhalt und gibt den formalen Beziehungen und Regelungen Leben.

Europa, dass ist der Erfolg seiner Bürgerinnen und Bürger, deren persönliches Engagement und deren Freundschaften für die europäische Idee wichtiger sind denn je. 

Die Vision des Vereinten Europa liegt in dem gemeinsamen Erfolg seiner Bürgerinnen und Bürger. Dies setzt aber voraus, dass sie ihre gemeinsamen Chancen weiterhin nutzen und sich nicht wegen der Krise in der Eurozone hinter den nationalen Grenzen verschanzen. Nur gemeinsam sind wir stark in einer globalisierten Welt, nur gemeinsam können die Bürgerinnen und Bürger Europas ihre Lebenswirklichkeit verbessern und den Schwierigkeiten begegnen.

Anrede

Denn das Glück ist gemacht, um geteilt zu werden (Jean Baptiste Racine 1639 – 1699.

So sollten auch die Chancen in Europa weiter geteilt und die Erfolge gemeinsam realisiert werden.

Die Tatsache, dass wir heute in Europa mit unseren Nachbarn Frankreich zusammen lernen, zusammen studieren und arbeiten, zusammen leben, zusammen urlauben, zusammen streiten und diskutieren können, erscheint uns selbstverständlich.

Sie wissen, dass dies nicht immer so war, wir haben das Erreichte den großartigen Europäerinnen und Europäern zu verdanken, die sich mit großem Engagement für die deutsch-französische Freundschaft einsetzten und weiter einsetzen.

Freundschaft heißt, an einer gemeinsamen Zukunft zu bauen, Chancen zu erkennen und zu ergreifen. Ich bin davon überzeugt, dass der Grundstein für ein friedliches, ein lebenswertes, ein soziales, ein gemeinsames Europa auch durch das bürgerschaftliche Engagement, wie Sie alle es mittragen, gelebt wird.

VI.

Anrede

Gleich und Gleiches gesellt sich gern oder

„Qui se ressemble s'assemble“

Gute Freunde teilen häufig die gleichen Interessen und
sind einander ähnlich– daraus beziehen sie ihre Stärken und ihre Kraft.

Dies kann auch für die Freundschaft zweier Regionen wie Nord-Pas-de-Calais und Nordrhein Westfalen gelten.

Denn als ehemalige Industrieregionen haben die beiden Regionen viele Gemeinsamkeiten.

Nord-Pas-de-Calais– wie Nordrhein Westfalen – sind aber nicht nur industriell geprägt.  Auch die Landwirtschaft beider Regionen zeichnet sich durch hohe Effizienz und Produktivität aus.

Die Region Nord-Pas de Calais war das größte Bergbaugebiet Frankreichs. Seine Geschichte ist eng mit der Einwanderungsgeschichte vor allem polnischer Immigranten verbunden. (siehe Ruhrgebiet)

Nach den ersten Kohlefunden Anfang des 19. Jahrhunderts verwandelte sich die Region Nord-Pas de Calais in ein beachtliches Bergbaugebiet, das jedoch am 21. Dezember 1990 den Kohleabbau beenden musste.

Die Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren hat in beiden Regionen Nord-Pas-de-Calais und Nordrhein Westfalen, einen tiefgreifenden Strukturwandel in Gang gesetzt. Kohle und Stahl haben ihre herausragende Stellung verloren  - auch wenn nach wie vor sehr erfolgreich Stahl produziert wird - und das Ende des Steinkohleabbaus – in Nordrhein Westfalen wird das allerdings erst im Jahr 2018 sein– markiert diese historischen Veränderung.

Beide Regionen konzentrieren ihre Bemühungen auf den Wandel von der Schwerindustrie zu modernen Wirtschafts- und Kulturregionen. Dazu gehört auch die erfolgreiche Vermarktung ihrer Industriekultur als Ausdruck dieses Wandels.

So war Lille beispielsweise 2004 Europäische Kulturhauptstadt, während dieser Titel in 2010 Essen und dem Ruhrgebiet verliehen wurde.

Im Ruhrgebiet haben sich auf ehemaligen Zechenarealen und in historischen Fabrikgebäuden Technologie- und Gründerzentren, Gewerbe- und Logistikparks sowie Wohn- und Kreativquartiere angesiedelt. Gleichzeitig werden innovative Projekte rund um erneuerbare Energien oder Freizeit und Tourismus auf ehemaligen Montanstandorten realisiert, genauso wie Kultureinrichtungen.

Entsprechende Veränderungen sind auch in Nord-Pas-de-Calais in Gang: Innovative IT-Quartiere, High-Tech-Produktion von techn. Textilien. Musikakademie und modernster Konzertsaal in einer ehemaligen Zeche.

Hervorzuheben ist auch die parallele Entwicklung von Nord-Pas de-Calais und Nordrhein Westfalens hinsichtlich wichtiger Ausbildungs- und Forschungszentren. Heute gibt es in beiden Regionen viele Universitäten, Fachhochschulen und zahlreiche renommierte Forschungseinrichtungen. Die Universität von Lille ist eine der größten Universitäten Frankreichs.

Seit einigen Jahren besteht eine Kooperation des nordrhein-westfälischen Schulministeriums mit der Académie de Lille, der für Nord-Pas de Calais zuständigen Mittelbehörde des französischen Schulministeriums. Mehrere grundständige binationale Studiengänge (mit deutsch-französischem Doppeldiplom) zwischen Lille und verschiedenen deutschen Städten werden von der Deutsch-Französischen Hochschule unterstützt.

Nicht zuletzt sind sowohl die Region Nord-Pas-de-Calais als auch das Ruhrgebiet in Nordrhein Westfalen die Fußballhochburgen Frankreichs und Deutschlands – in diesen Wochen eines der wichtigsten europäischen Themen!

Und nicht zu vergessen: auch der Karneval findet in beiden Regionen seine traditionellen Anhänger!

Diese Parallelen der Entwicklung und in der Kultur lassen weitreichende Chancen einer Partnerschaft erkennen, die bereits genutzt werden und noch stärker genutzt werden sollten.

Seit 2001 ist Nordrhein-Westfalen mit der Region Nord-Pas de Calais und mit Schlesien im Regionalen Weimarer Dreieck verbunden; die bilateralen Beziehungen zu Nord-Pas de Calais wurden darüber hinaus 2004 mit einem gemeinsamen Arbeitsprogramm bekräftigt.

Besonders die Städtepartnerschaften sind zwischen den beiden Regionen sehr aktiv. Knapp 60 seiner insgesamt fast 300 Städtepartnerschaften mit Frankreich pflegt Nordrhein-Westfalen mit Nord-Pas de Calais.

Sowohl von Seiten Nordrhein-Westfalens als auch auf der Seite der Region Nord-Pas de Calais besteht der Wunsch, die bilateralen Beziehungen wieder mit mehr Leben zu füllen und zu intensivieren.

Zukunftschancen für eine solche Zusammenarbeit bestehen auf den Gebieten der wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Wissenschaft und des kulturellen Austauschs, bei Innovationsstrategien, im Bereich von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, in der klimaschonenden Nutzung von Ressourcen, um nur einige zu nennen.

Es kann noch mehr getan werden bei der kulturellen Zusammenarbeit, beim Schüleraustausch, bei der Zusammenarbeit bei Ausbildung (z. B. Praktika). Manches funktioniert im Rahmen des Weimarer Dreiecks. Dort gibt es drei Schwerpunkte:

·        Nachnutzung von Industriestandorten

·       Jugenddreieck

·       Kulturdreieck

Um mehr zu tun, brauchen wir Bürgerengagement und finanzielle Mittel.

Wir brauchen Sie und wir brauchen Unternehmen (z.B. für Praktikumsplätze)

Das Land Nordrhein-Westfalen wird im Rahmen des Jubiläums des Elyssee-Vertrags 2012 selbst auch einige zusätzliche Akzente setzen.

VII.

Zum Schluss will ich nochmals auf das Anliegen zurückkommen, das mir sehr am Herzen liegt: Es erscheint mir heute notwendiger denn je, nicht die Fehler bei der europäischen Verständigung und Einigung zu suchen, sondern deren Errungenschaften in den Mittelpunkt zu stellen.

Europa, das sind wir, das sind gemeinsame Bindungen und Grundwerte und die gemeinsame Lösung von Problemen.

Deshalb finde ich es so wichtig, dass Menschen aus den verschiedensten Bereichen und Ländern zusammenarbeiten, sich kennenlernen, Vorurteile vergessen, Stereotype hinter sich lassen und sich unvoreingenommen begegnen. Ich habe die große Bitte an die Partnervereine und Komitees, an die bilateralen Gesellschaften, die von ihnen organisierten Begegnungen zu nutzen, für vertiefte Gespräche zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unserer Länder über uns in Europa betreffende Zukunftsfragen:

·       Was verstehen wir unter einem solidarischen Europa? Soll es das überhaupt geben?

·       Wie stellen wir uns die Energieversorgung des 21. Jahrhunderts vor?

·       Wie wollen wir die demographischen Veränderungen meistern?

·       Was ist dabei die Rolle der EU?

·       Welches Europa stellen wir uns vor?

Solche Dialogforen sind aufwändig und anstrengend. Aber sie können sehr positive Wirkung entfalten, wie ich beispielsweise immer wieder bei den Jugendgipfeln erfahren kann!

Es geht darum, aus einer solchen Lebenserfahrung eine konkrete europäische Erfahrung zu machen und damit an einer gemeinsamen Zukunft in einem friedlichen und offenen Europa zu bauen. Dafür danke ich Ihnen Allen!