Minister Remmel: Ministerin Aigner erteilt Freibrief für massiven Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung / NRW fordert Nachbesserung an der Novelle des Arzneimittel­gesetzes – Transparenz und Minimierungsziele fehlen

19. September 2012
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Die NRW-Landesregierung hat die Antibiotika-Politik der Bundesregierung in der Tierhaltung scharf kritisiert: „Die Novelle des Arzneimittelgesetzes von Ministerin Aigner ist eine Mogelpackung: Das Gesetz kommt zu spät, es wird kein Antibiotika-Missbrauch zeitnah aufgedeckt, es wird zu mehr Bürokratie führen und es fehlt zudem ein klares Minimierungsziel. Stattdessen stellt Ministerin Aigner einen Freibrief für den massiven Antibiotika-Einsatz aus“, sagte der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel zum Beschluss des Bundeskabinetts.

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz teilt mit:

Die NRW-Landesregierung hat die Antibiotika-Politik der Bundesregierung in der Tierhaltung scharf kritisiert: „Die Novelle des Arzneimittelgesetzes von Ministerin Aigner ist eine Mogelpackung: Das Gesetz kommt zu spät, es wird kein Antibiotika-Missbrauch zeitnah aufgedeckt, es wird zu mehr Bürokratie führen und es fehlt zudem ein klares Minimierungsziel. Stattdessen stellt Ministerin Aigner einen Freibrief für den massiven Antibiotika-Einsatz aus“, sagte der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel zum heutigen Beschluss des Bundeskabinetts. „Beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen wir keine politischen Bremsklötze. Wir brauchen eine Ministerin, die proaktiv für den Verbraucherschutz eintritt – anstatt die schwarzen Schafe durch Verzögerungsspielchen zu schonen. Die Antibiotika-Politik der Bundesregierung zeigt einmal mehr: In Berlin fehlt ein Anwalt oder eine Anwältin für einen starken Verbraucherschutz.“ NRW wird deshalb die unzureichende AMG-Novelle auf die Tagesordnung der Agrarministerkonferenz in der nächsten Woche setzen, auch, weil die AMG-Novelle weiterhin kein grundsätzliches Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika vorsieht, die eine wichtige Behandlungsrolle in der Humanmedizin einnehmen.

Das Bundeskabinett hat heute die von Ministerin Aigner vorgelegte Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) beschlossen. Das AMG ist der zentrale Baustein in der Antibiotika-Strategie der Bundesregierung.

Minister Remmel fordert seine Amtskollegin auf, den Gesetzentwurf nachzubessern, andernfalls würden die Länder im Bundesrat entsprechende Initiativen ergreifen müssen. Remmel fordert insbesondere bei drei Punkten Nachbesserungen:

1. NRW fordert die Bundesregierung erneut zu mehr Transparenz bei den Daten auf, um den Einsatz von Antibiotika in den Ställen wirksam und schnell überwachen zu können. „Jede Behandlung muss zeitnah online erfasst werden, damit die Kontrolleurinnen und Kontrolleure ihre Arbeit effektiv machen können. Doch die Bundesregierung legt die Überwachungsbehörden an die Kette“, so Remmel.

2. Das Arzneimittelgesetz sieht ein Melde-Intervall mit zu großen Abständen vor. „Es bringt den Kontrolleurinnen und Kontrolleuren nichts, wenn sie nur einmal oder zweimal im Jahr erfahren, wo vor vier oder fünf Monaten übermäßige Mengen von Antibiotika eingesetzt worden sind. Dann ist es längst schon zu spät für ein Eingreifen. Wir wollen nicht die gesamte Landwirtschaft unter Generalverdacht stellen und eine Art Polizei-Staat mit täglichen Kontrollen einführen. Wir müssen aber dort punktuell eingreifen, wo der Medikamenten-Einsatz aus dem Ruder läuft. Das ist risikoorientierte Überwachung, für die wir zeitnahe Meldungen über die Antibiotika-Ströme brauchen. Frau Aigner stellt mit ihrer Regelung dagegen den schwarzen Schafen einen Freibrief aus – und sie bestraft die Tierhalterinnen und Tierhalter, die ehrlich und korrekt arbeiten.“

3. So fehlt in der AMG-Novelle ein klares Minimierungsziel und es ist auch völlig unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Es gibt keinen Fahrplan dafür. Wir fordern, in den nächsten zwei Jahren den Einsatz von Antibiotika um 50 Prozent zu reduzieren. Denn nur mit einer schnellen Reduzierung kann die Wirksamkeit der Antibiotika nicht nur bei den Tieren selbst, sondern auch beim Menschen künftig sicherstellt werden“, sagte Remmel.

Während die Bundesländer sich bereits lange einig sind, dass der Einsatz von Antibiotika bei landwirtschaftlichen Nutztieren drastisch vermindert werden muss, hat Ministerin Aigner erst heute dem Bundeskabinett einen Entwurf für die Novelle des Arzneimittelgesetzes vorgelegt. Nordrhein-Westfalen hat schon im November 2011 mit der bundesweit ersten Antibiotika-Studie offengelegt, wie groß das Problem in der Tiermast ist: 9 von 10 Masthühnern kommen in ihrer kurzen Lebenszeit mit Antibiotika in Kontakt. „Die Bundesländer haben im Januar Ministerin Aigner aufgefordert, einen Gesetz-Entwurf vorzulegen, damit die Länder beim Vollzug einen umsetzbaren Rechtsrahmen erhalten. Frau Aigner hat aber erst jetzt gehandelt. Das ist eindeutig zu spät und die Konsequenzen, die die Bundesregierung aus unseren Studien zum Antibiotika-Einsatz zieht, reichen nicht aus. Wir brauchen endlich umfassende und wirksame Rahmenbedingungen. Die gibt es leider nicht und Ministerin Aigner reagiert immer nur dann, wenn die Länder sie antreiben.“ 

Die Bundesregierung selbst hat erst vor Kurzem ihre Einschätzung zum Antibiotika-Einsatz zurücknehmen müssen. Im September vergangenen Jahres veröffentlichte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (17/6807) Schätzungen, dass im Jahr 2005 nur 784,5 Tonnen eingesetzt worden seien. Jetzt gibt die Bundesregierung zu, dass das Problem weitaus größer ist: Im vergangenen Jahr wurden nach ihren Berechnungen 1734 Tonnen Wirkstoff in der Tiermast eingesetzt. „Diese Horror-Zahlen müssten auch die zuständige Bundesministerin alarmieren. Doch ihr Gesetzentwurf lässt daran zweifeln, ob sie den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wirklich eindämmen will.“

Durch zwei Studien hat das NRW-Verbraucherschutzministerium belegt, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast inzwischen gängige Praxis ist, die antibiotikafreie Tiermast hingegen nur noch die Ausnahme: Im November 2011 wurde durch die NRW-Antibiotikastudie erstmals in der Bundesrepublik in einer umfassenden Erhebung ermittelt, dass 9 von 10 Masthühnern während ihrer Mastdauer in Kontakt mit Antibiotika kamen. Im Juli 2012 ergab die NRW-Verschleppungsstudie, dass Mastgeflügel in NRW offenbar auch außerhalb von Therapiezeiten und teilweise ohne tierärztliche Verordnung in Kontakt mit Antibiotika gekommen ist: In 26 von 42 (rund 62 Prozent) überprüften Ställen wurden auffällige Rückstände antibiotisch wirksamer Substanzen in Tränkwasser ermittelt.

Weitere Informationen zu den beiden Studien finden Sie unter:

www.antibiotikastudie.nrw.de
www.verschleppungsstudie.nrw.de
„Remmel fordert nationalen Antibiotika-Aktionsplan“ (15.11.2011)
http://www.umwelt.nrw.de/ministerium/service_kontakt/archiv/presse2011/presse111115_a.php

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Telefon 0211 4566-748 (Stephan Malessa).

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