Minister Remmel: „Agrarpolitik der Bundesregierung ist gescheitert“

18. Januar 2013
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Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hat die Bundesregierung zu einer Kurskorrektur bei ihrer Agrarpolitik aufgefordert. „Die bisherige Agrarpolitik von FDP und Union ist auf Größe, permanentes Wachstum und stetige Leistungssteigerungen bei den Tieren ausgerichtet. Diese Politik von gestern ist aber gescheitert“, sagte Johannes Remmel anlässlich der Internationalen Grünen Woche in Berlin.

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

NRW-Landwirtschaftsminister fordert Kurskorrektur von Bundesministerin Aigner und wirkungsvolle Minimierungsstrategie bei Antibiotika

Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz teilt mit:

Der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hat die Bundesregierung zu einer Kurskorrektur bei ihrer Agrarpolitik aufgefordert. „Die bisherige Agrarpolitik von FDP und Union ist auf Größe, permanentes Wachstum und stetige Leistungssteigerungen bei den Tieren ausgerichtet. Diese Politik von gestern ist aber gescheitert“, sagte Johannes Remmel anlässlich der Internationalen Grünen Woche in Berlin. „Während Ministerin Aigner und Wirtschaftsminister Rösler immer noch an einer Wirtschafts- und Agrarpolitik von gestern festhalten, sind die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch viele in der Landwirtschaft selbst, schon längst weiter. Statt den Weltmarkt zu bedienen, fordern Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Tierschutz, mehr Umweltaspekte, mehr Regionalität in der Landwirtschaft.“

Ein „Weiter-so“ könne es aber nicht mehr geben, denn die Probleme einer industriellen Agrarwirtschaft würden zunehmen. „In unserer Landwirtschaft kommt es immer häufiger zu Widersprüchen, die die Menschen nicht mehr akzeptieren: Auf der einen Seite wird versucht, mit industrieller Tierproduktion Weltmärkte wie Russland zu bedienen, gleichzeitig schaffen wir es aber in Deutschland nicht einmal, die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten zu bedienen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der bäuerlichen Betriebe, während die der Agrarfabriken zunimmt, was aber wiederum den Widerstand in der Bevölkerung schürt. Das System der bisherigen Tierproduktion ist derart ausgereizt, dass es ohne den massiven Einsatz von Antibiotika gar nicht mehr funktioniert.“

Remmel fordert daher eine Umsteuerung in sechs zentralen Punkten der Agrarpolitik:

1) Durch die Änderung des Bau- und Immissionsschutzrechts muss die Entstehung weiterer Groß- und Megaställe insbesondere im Außenbereich verhindert werden.

2) Das Tierschutzgesetz und die auf ihm beruhenden Haltungsverordnungen müssen grundlegend geändert und an dem grundgesetzlich verankerten Staatsziel des Tierschutzes ausgerichtet werden.

3) Der Einsatz von Medikamenten, insbesondere von Antibiotika,  muss drastisch reduziert und auf das aus Tierschutzgründen absolut notwendige Minimum begrenzt werden, um die weitere Ausbreitung von gefährlichen Resistenzen wirksam zu bekämpfen.

4) Um die Ausbreitung von Bioaerosolen und gefährlichen Keimen aus Ställen zu verhindern, müssen die Tierhaltungsanlagen Schritt für Schritt, beginnend mit den größeren Anlagen, mit entsprechenden Filtern ausgerüstet werden.

5) Anstatt die Orientierung am Weltmarkt als Ziel zu formulieren,  wie dies die Bundesregierung macht, muss auf regionale Kreisläufe und einen Verbund zwischen Landwirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern gesetzt werden. Daher müssen die Exportsubventionen abgeschafft werden.

6) Auf europäischer Ebene muss sich die Bundesrepublik wieder als Motor für ein stärkeres „Greening“ der Agrarpolitik und für mehr Tierschutz verstehen. Agrarzahlungen aus Steuermitteln müssen endlich konsequent an öffentliche Leistungen geknüpft werden.

Für Remmel ist beim Einsatz von Antibiotika das oberste Ziel, die Antibiotika-Mengen in der Tiermast deutlich und schnellstens zu reduzieren: „Dazu benötigen wir eine durchgängige Transparenz. Um die zu bekommen, brauchen wir eine Verbraucherschutzministerin, die willens ist, diese Transparenz auch herzustellen und nicht die schwarzen Schafe durch Verzögerungsspielchen zu schonen. Der von Aigner vorgelegte Entwurf zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes wird die Probleme nicht lösen und ist zum Scheitern verurteilt: Mit den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen kann kein Antibiotika-Missbrauch zeitnah aufgedeckt werden, sie würden nur zu mehr Bürokratie führen. Es fehlt zudem ein klares Minimierungsziel. Stattdessen stellt Ministerin Aigner einen Freibrief für den massiven Antibiotika-Einsatz aus.“

Kritik richtete Remmel auch an einige Akteurinnen und Akteure aus Agrarwirtschaft, Politik, Verbänden, Organisationen und Unternehmen. „Es reicht nicht, in Sonntagsreden mehr Transparenz und besseren Verbraucherschutz zu predigen. Man muss dann auch zu mehr Transparenz stehen – und das passiert nicht.“ Bestes Beispiel sei der Versuch Aigners, die Antibiotika-Ströme von Herstellern und Tierärzten bis hin zu den einzelnen Betrieben öffentlich zu machen. Die Meldungen an Ministerin Aigner gingen mit bis zu sechs Monaten Verspätung ein, und das, obwohl die Unternehmen verpflichtet waren die Mengen zu melden.

Auch die Beteiligung an der NRW-Datenbank, die vor einem Jahr auf freiwilliger Basis gestartet wurde, ist ein Armutszeugnis für die Agrarwirtschaft. Tierärzte und Landwirte hatten sich dazu bereit erklärt einzutragen, wann und wie viele Antibiotika in der Hähnchenmast genutzt werden. Bilanz nach einem Jahr: Erst fünf Tierhalter haben Daten eingegeben, angemeldet haben sich erst 17 Tierhalter und vier Tierärzte. Remmel: „Das zeigt, mit Freiwilligkeit und gutem Zureden werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vor dem massiven Einsatz von Antibiotika schützen können. Das Verhalten der Wirtschaft beweist, dass wir schärfere Gesetze benötigen, um die Antibiotika-Ströme überwachen zu können. Auch der Bundesrat hat dies schon mehrfach gefordert.“

Bereits im November 2011 hat NRW durch die Antibiotika-Studie aufgedeckt, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast gängige Praxis ist: Neun von zehn Masthühnern kamen danach während ihrer Mastdauer in Kontakt mit Antibiotika. Seitdem hat Ministerin Aigner die Gesetze dagegen nicht verschärft: „Die Antibiotika-Politik der Bundesregierung zeigt einmal mehr: In Berlin fehlt ein Anwalt oder eine Anwältin für einen starken Verbraucherschutz“, so Remmel.

Neben dem Thema Tierhaltung wird das Jahr 2013 vor allem im Zeichen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik stehen. Die Töpfe für die nächste Förderperiode der Jahre 2014 bis 2020 werden in diesem Jahr auf europäischer Ebene festgelegt. „Die Zeit wird knapp, es wird noch immer über Finanzrahmen und Verteilung der Gelder diskutiert“, zeigt sich der Minister besorgt. „Wir müssen die Beschlüsse schon im nächsten Jahr umsetzen und umso länger die Diskussionen in Brüssel dauern, desto weniger Planungssicherheit haben wir und damit die Akteure in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum.“

Das Motto der rund 700 m² großen NRW-Präsentation auf der IGW 2013 ist in diesem Jahr „Gutes und Nachhaltiges aus NRW“. Neben der Ausstellung mit alten Apfelsorten der biologischen Station Rhein-Sieg sind erstmals 37 Ausstellerinnen und Aussteller der beiden Genussregionen Niederrhein und Münsterland in Zusammenarbeit mit Tourismus NRW e.V. dabei. Die Genussregionen sind Zusammenschlüsse aus heimischer Gastronomie, Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk. Das Ziel der Genussregionen ist die Entwicklung von regionalen Märkten mit regional und nachhaltig erzeugten Produkten. Den Besuchern bietet sich somit eine große Auswahl an „“rheinischen Häppkes und westfälischem Kleinkram“. Ergänzt werden die Präsentationen durch ein ganztägiges Bühnenprogramm mit Kochshows und Diskussionsrunden unter anderem zu den Themen „Wertschätzung von Lebensmitteln“ oder „Tiergerechte Haltung/Mast“.

Weitere Informationen zur Internationalen Grünen Woche 2013 wie eine komplette Ausstellerliste oder das Bühnenprogramm sind zu finden unter www.umwelt.nrw.de.

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Telefon 0211 4566-719 (Wilhelm Deitermann).

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