Ministerin Steffens: Sucht im Alter nicht verharmlosen – Neue Kampagne „STARK BLEIBEN“ zur Suchtprävention im Alter gestartet

9. Dezember 2016

„STARK BLEIBEN – für ein Leben ohne Sucht“ will Menschen ab 55 Jahre unter anderem Tipps und Anregungen für eine gesunde Lebensführung geben und über Hilfeangebote informieren.

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Suchtprobleme werden in der Regel jungen Menschen zugeschrieben. Aber: Etwa 25 Prozent der 60- bis 69-jährigen Männer und 17 Prozent der 50- bis 59-jährigen Frauen trinken riskante Mengen Alkohol. Geschätzt etwa fünf Prozent der über 60-Jährigen nehmen so häufig Schlaf- und Beruhigungsmittel ein, dass die Gefahr besteht, abhängig zu werden. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Unter dem Motto „STARK BLEIBEN – für ein Leben ohne Sucht“ hat das Land eine Aufklärungskampagne zur Gesundheitsförderung und Suchtprävention älterer Menschen gestartet. „Suchtprobleme im Alter werden häufig verharmlost und Anzeichen für den Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten als Alterserscheinung abgetan. Die Kampagne informiert über die Suchtgefahr, sensibilisiert für die Hinweise auf Suchterkrankungen und will Ältere dabei unterstützen, stark zu bleiben und sich den Herausforderungen des Alterns ohne den missbräuchlichen Konsum von Medikamenten oder Alkohol zu stellen. Dabei wird speziell auf die Situation älterer Menschen eingegangen – zum Beispiel auf Umbrüche im Leben wie der Eintritt ins Rentenalter oder der Verlust nahestehender Menschen“, erklärte Gesundheitsministerin Barbara Steffens zum Start der Kampagne in Düsseldorf.
 
„STARK BLEIBEN“ ist ein neuer Baustein der Präventionsinitiative „Sucht hat immer eine Geschichte“ (www.suchtgeschichte.nrw.de), die bisher hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene anspricht. Federführend für die landesweite Kampagne ist die GINKO-Stiftung für Prävention in Mülheim/Ruhr als Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung. „STARK BLEIBEN – für ein Leben ohne Sucht“ will Menschen ab 55 Jahre unter anderem Tipps und Anregungen für eine gesunde Lebensführung geben und über Hilfeangebote informieren. „Die dritte Lebensphase bietet viele Chancen. Eine aktive Gestaltung des Alltags auch in diesem Lebensabschnitt ist ein wesentlicher Schutzfaktor, um ein suchtfreies Leben führen zu können. Mit der neuen Kampagne wollen wir das Bewusstsein dafür schärfen und konkrete Anregungen geben“, sagte Ministerin Steffens.
 
Dabei wird das gelegentliche Bier oder Glas Wein nicht verteufelt. Ebenso ist klar, dass Schlaf- und Beruhigungsmittel in bestimmten Lebenssituationen eine wichtige Hilfe sein können. Aber für viele Menschen ist etwa der Wegfall der Arbeit ein massiver Verlust, weil ihnen plötzlich sinnstiftende Aufgaben fehlen. Das Wegbrechen der Tagesstruktur und das Gefühl der Vereinsamung lassen sie zu Beruhigungs- und Schlafmitteln oder Alkohol greifen. Während Männer häufiger eine Alkoholabhängigkeit entwickeln, sind geschätzt etwa 60 Prozent der Menschen mit Medikamentenabhängigkeit Frauen. Die gesundheitlichen Gefahren und die Wirkung von Alkohol und Medikamenten im fortgeschrittenen Lebensalter werden oft unterschätzt. So ist in Nordrhein-Westfalen etwa die Zahl der 60 bis 65 jährigen Menschen, die aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden mussten, in den vergangenen fünf Jahren um über 40 Prozent gestiegen.
 
Der Missbrauch oder die Abhängigkeit von Medikamenten ist meistens weniger offensichtlich. Nehmen Menschen Schlaf- oder Beruhigungs-mittel über längere Zeit ein, bleibt das Außenstehenden vielfach verborgen. Nebenwirkungen wie Stürze oder Verwirrtheit werden leicht dem Alter zugeschrieben. Oft erkennen nicht einmal die Betroffenen selbst ihre Abhängigkeit, weil sie ein ärztlich verordnetes Medikament einnehmen und die Verschreibung auch bei längerer Dauer nicht mehr hinterfragt wird.
 
„Mit der Kampagne wollen wir dazu motivieren, über den eigenen Konsum von Alkohol sowie Schlaf- und Beruhigungsmitteln nachzudenken, Gewohnheiten zu überprüfen und gegebenenfalls mit einer Ärztin oder einem Arzt darüber zu sprechen. Ältere Menschen und ihre Angehörigen erhalten Informationen, wie sie Suchtgefährdungen erkennen können und wo sie selbst im Bedarfsfall Hilfe und Unterstützung finden. Durch Kooperation mit Altenhilfe und Seniorenarbeit wollen wir auch Ältere erreichen, die nicht von sich aus aktiv nach Informationen zur Suchtproblematik im Alter suchen“, sagte Dr. Hans-Jürgen Hallmann, Leiter der Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW.
 
Die Broschüre „STARK BLEIBEN – für ein Leben ohne Sucht“ fasst die wichtigsten Fakten, Hintergründe und Tipps zusammen. Vertiefende Informationen zum gesunden Altern, einen Selbsttest und ein Wissens-Quiz sowie die Adressen regionaler Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bietet die Webseite www.stark-bleiben.nrw.de. Ein mobiler, für die Kampagne konzipierter Infostand wird auf zielgruppenrelevanten Veranstaltungen (Messen, Gesundheitstage, Aktionstage für Ältere) neben Informationen zum verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln auch persönliche Beratung durch kompetente Gesprächspartnerinnen und -partner bieten.
 
„Ein Leben ohne Sucht ist ein Grundbaustein für ein selbstbestimmtes und aktiv gestaltetes Älterwerden. Es lohnt sich immer, etwas gegen eine Abhängigkeit zu unternehmen – egal in welchem Alter. Die Lebensqualität der Betroffenen steigt erheblich. Klinische Erfahrungen zeigen, dass bei älteren Menschen die Wahrscheinlichkeit, eine Therapie erfolgreich abzuschließen, hoch ist. Oft höher ist als bei Jüngeren“, so Steffens.
 
Webseite zur Kampagne unter anderem mit Terminen zum mobilen Informationsstand unter www.stark-bleiben.nrw.de
 
Die Broschüre „STARK BLEIBEN – für ein Leben ohne Sucht“ kann kostenlos bestellt oder heruntergeladen werden

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Hintergrund

 Unter Erwachsenen sind Männer im Alter zwischen 60 und 69 Jahren die Altersgruppe, die am häufigsten riskante Mengen
  • Alkohol konsumiert: Fast 25 Prozent trinken pro Tag mindestens 20 Gramm reinen Alkohol (entspricht zwei Gläsern Bier à 0,3 Liter) und damit so viel, dass das Risiko für zahlreiche Krankheiten deutlich erhöht ist.
  • Bei Frauen liegt die Altersgruppe, in der am häufigsten riskante Mengen Alkohol getrunken werden zwischen 50 und 59 Jahren. 17 Prozent trinken mindestens 10 Gramm Reinalkohol täglich (ein Bier à 0,3 Liter oder ein Glas Wein à 0,1 Liter). Generell konsumieren Frauen mit einem höheren sozialen Status überdurchschnittlich häufiger riskante Mengen Alkohol als Frauen mit niedrigem sozialem Status.
  • Bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen werden immer mehr Patientinnen und Patienten zwischen 60 und 65 Jahren aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt. Die Fallzahlen in NRW sind in den vergangenen fünf Jahren um rund 43 Prozent gestiegen (2010: 985; 2015: 1.395).
  • Nach Schätzungen des Epidemiologischen Suchtsurveys 2015 besteht bei etwa fünf Prozent der über 60-Jährigen in Deutschland ein problematischer Konsum von Psychopharmaka, vor allem von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Sie nehmen diese Medikamente regelmäßig und oft ohne medizinische Indikation ein, so dass die Gefahr des Missbrauchs, der Gewöhnung und der Abhängigkeit entsteht. In Zahlen bedeutet dies für NRW: rund 240.000 über 60-Jährige, davon sind rund 145.000 Frauen.
  • Nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind etwa 60 Prozent der Menschen mit Medikamenten-abhängigkeit Frauen.
  • Nach einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ist bei etwa 15 Prozent der Menschen, die von ambulanten Pflegediensten und in stationären Altenhilfeeinrichtungen betreut werden, von einem problematischen Alkohol- und Medikamentenkonsum auszugehen.
  • Für Maßnahmen der Suchtprävention und -hilfe stehen in Nordrhein-Westfalen jährlich insgesamt rund 13,4 Millionen Euro zur Verfügung.

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