Minister Oliver Krischer: Wir müssen Nordrhein-Westfalens Infrastruktur zukunftssicher machen

Sanierungsoffensive für Straßen, Brücken und Tunnel vorgelegt – Weitere Ergebnisse von Bauwerksprüfungen veröffentlicht

2. November 2023
Eine Autobahn im Sonnenaufgang

Die Landesregierung will mit einer Sanierungsoffensive die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen zukunftssicher machen und vor allem die Sanierung und den Ersatzneubau in den Fokus rücken.

Verkehr

Die Landesregierung will mit einer Sanierungsoffensive die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen zukunftssicher machen und vor allem die Sanierung und den Ersatzneubau in den Fokus rücken.

„Nordrhein-Westfalen steht vor der gewaltigen Herausforderung, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur zukunftsfest zu machen“, sagte Verkehrsminister Oliver Krischer bei der Vorstellung der Sanierungsoffensive „Straßeninfrastruktur NRW“ in Düsseldorf. „Unsere Straßen, Brücken und Tunnelanlagen sind in die Jahre gekommen und vielerorts akut gefährdet. Das hat zum einen mit dem starken Zuwachs insbesondere beim Güterverkehr zu tun. Zum zweiten aber auch damit, dass wir in den letzten Jahrzehnten zu wenig in den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur investiert haben“, betonte Minister Krischer. In den letzten Jahren sei zwar in der Summe eine Stabilisierung beim Zustand der Straßen in Nordrhein-Westfalen erreicht worden. Das reiche aber nicht aus, wie die Ergebnisse der aktuellen Bauwerksprüfungen zeigten.

Mit der Sanierungsoffensive will die Landesregierung die Weichen für die Zukunft unseres Standortes stellen. „Wir wollen in den kommenden 10 Jahren den bestehenden Anteil von Straßen, Brücken und Tunnel in Nordrhein-Westfalen in einem sanierungsbedürftigen Zustand deutlich abbauen. Dafür legt die Landesregierung etwa beim Straßenbau den Schwerpunkt auf die Sanierung“, kündigte Minister Oliver Krischer.

Die Sanierungsoffensive umfasst vor allem folgende Einzelpunkte:

  1. Priorisierung bei Sanierung der vorhandenen Straßeninfrastruktur
  2. 10-Jahres-Programm Brückenerneuerung
  3. Neuausrichtung Erhaltungsplanung Landesstraßen
  4. Tunnel vorausschauend modernisieren
  5. Mehr Transparenz durch Veröffentlichung der Zustandsdaten
  6. Fachkräftemangel offensiv bekämpfen
  7. Beschleunigung durch Entschlackung von Haushalts- und
    Vergaberecht
  8. Innovative Bauweisen und Systeme
  9. Übergreifende Baustellenkoordination
  10. Verkehr und Umwelt zusammendenken
  11. Einsatz von Recyclingbaustoffen im Straßenbau

 

Konkret müssen bis 2030 allein rund 213 Millionen Euro in die Instandsetzung der Tunnelbauwerke im Bereich der Bundes- und Landesstraßen investiert werden. Ziel ist eine vorausschauende Ertüchtigung:  Das reaktive Beheben von aufgetretenen Störungen soll durch ein vorausschauendes Lifecycle-Management abgelöst werden. Dadurch soll auch das Ausfallrisiko minimiert werden.

Im Bereich der Brücken sollen in den nächsten zehn Jahren rund 400 Bauwerke ersetzt werden. Als Einstieg in die Sanierungsoffensive stehen für 35 Brücken im kommenden Jahr Ersatzneubauten an (2022: 21, 2023: 15). Insgesamt werden sich dann 51 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von über 160 Millionen Euro im Bau befinden.

Bei der Straßeninfrastruktur soll die Priorisierung bei den finanziellen und personellen Kapazitäten zu Gunsten der Sanierung forciert werden. Konkret: Um Personal zielgerichtet einzusetzen, wird Straßen.NRW neben Neueinstellungen etwa die vorhandenen Personalkapazitäten in Richtung der Erhaltungsprojekte konzentrieren. Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) soll darüber hinaus verstärkt in größere Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen des Landes eingebunden werden, um weitere personelle Ressourcen für den Erhalt zu akquirieren.

Ergebnisse zum Straßenzustand

Die Dringlichkeit der Sanierungsoffensive unterstreicht auch der aktuell veröffentlichte Straßenzustandsbericht für Nordrhein-Westfalen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verkehrsbelastung, insbesondere des Schwerlastverkehrs, ist erkennbar, dass es aufgrund der zu geringen Erhaltungsinvestitionen der Vergangenheit zu einer stetigen Verschlechterung des Fahrbahnzustandes von 2004 bis 2011 kam.

Von 2015 bis 2019 konnte in Summe der Bestand an sehr guten und guten Straßen gemäß Kategorisierung der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) gehalten werden, wobei es zu einem Anstieg bezogen auf die sehr gut eingestuften Straßen kam. Dies korreliert mit dem Investitionshochlauf für die Erhaltung der Landesstraßen ab dem Jahre 2015 und zeigt die hohe Wirksamkeit von Investitionen in Erhalt und Sanierung bestehender Straßen. Gleichzeitig ist von 2015 bis 2019 eine Zunahme des sehr schlechten Zustandes festzustellen. Insgesamt sind nach der Bewertung der ZEB allein bei den Fahrbahnen der Landesstraßen mehr als ein Drittel in einem sanierungsbedürftigen Erhaltungszustand:

Der Bericht über den Zustand der Fahrbahnbefestigungen und Brücken der Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass sich der Zustand der Straßen und Brücken in der Summe nicht weiter verschlechtert hat. Eine Trendumkehr hin zu einer deutlichen Verbesserung des Zustandes konnte damit allerdings noch nicht erreicht werden.

Ausfallrisiko bei Tunnelanlagen

Auch die Tunnel an Bundes- und Landesstraßen sind in die Jahre gekommen. Dies macht sich insbesondere bei der Betriebstechnik bemerkbar, welche hohe technische Anforderungen erfüllen muss. Die sicherheitstechnischen Anlagenteile der Tunnelausstattung haben im Gegensatz zum eigentlichen Bauwerk nur eine theoretische Nutzungsdauer von 10 bis 15 Jahren.

Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen betreibt derzeit insgesamt 37 Tunnel. Hinzu kommen 2 weitere Tunnel durch einen Baulastträgerwechsel. Insgesamt liegen dann 16 Tunnel an Bundesstraßen, 21 Tunnel an Landesstraßen und 2 Tunnel an Radwegen im Verantwortungsbereich des Landes. Die Gesamtröhrenlänge aller dann 39 Tunnel beträgt rund 27 km. Sämtliche Tunnel in der Zuständigkeit von Straßen.NRW können zurzeit sicher betrieben werden. Alle Tunnel mit den erheblichen baulichen Mängeln werden zurzeit saniert oder die Sanierung ist in Vorbereitung.

Bei den 39 Tunneln in Landeszuständigkeit soll durch Ertüchtigungen und Modernisierung der Sicherheitstechnik das Ausfallrisiko auf ein Minimum reduziert und Sperrzeiten der Tunnel dadurch vermieden werden. Auch hierzu werden Stellen bei Straßen.NRW verlagert und weiteres Personal eingestellt.

Nach der aktuellen Bauwerksprüfung durch Straßen.NRW, die den äußeren baulichen Zustand der Bauwerke beschreibt, weisen im Bereich der Bundesstraßen die Tunnelbauwerke eine durchschnittliche Zustandsnote von 2.3, im Bereich der Landesstraßen von 2.5 und im Bereich der Radwegetunnel von 3.3 auf. Schlusslicht bei den Straßentunneln ist das Bauwerk an der L 260 Adenauerallee in Aachen mit einer Zustandsnote von 3.5. Ab einer Zustandsnote von 3.5 beginnt ein ungenügender Zustand, der umgehende Maßnahmen erfordert, die schlechteste mögliche Note ist 4.0.

„Für alle Tunnel mit kritischen Zustandsnoten von 3.5 oder schlechter sind die notwendigen Maßnahmen entweder kurz vor dem Abschluss   oder in Bearbeitung“, sagte Dr.-Ing. Petra Beckefeld, Technische Direktorin des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW).

Beim betriebstechnischen Zustand weisen von 16 Tunnelbauwerken an Bundesstraßen zwei ein hohes und fünf ein erhöhtes Ausfallrisiko auf, bei einem durchschnittlichen Alter der betriebstechnischen Ausstattung von 14 Jahren. An Landesstraßen sind von 20 Tunnelbauwerken zehn durch hohes und drei durch erhöhtes Ausfallrisiko gefährdet. Das durchschnittliche Alter der betriebstechnischen Ausstattung beträgt dabei 22 Jahre.

Als Maßnahmenpaket zur baulichen und betrieblichen Instandsetzung der Tunnelbauwerke im Bereich der Bundes- und Landesstraßen in der Baulast von Straßen.NRW sind bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von 213 Millionen Euro erforderlich.

Erschwert wird die Sanierung durch Engpässe in der Bauwirtschaft und die weiterhin angespannte Lage auf dem Fachkräftemarkt. „Straßen.NRW wird durch Stellenverlagerungen den Bereich Tunnelbau deutlich verstärken“, kündigte Dr. Beckefeld an.

Brückeninfrastruktur stark belastet

Bereits im Frühjahr hatte das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Ergebnisse einer Überprüfung der Brückeninfrastruktur veröffentlicht. Allein in die Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen fallen derzeit insgesamt 6.714 Brücken (7.321 Teilbauwerke), die durch Straßen.NRW betreut werden. Das mittlere Alter der Brücken an Bundes- und Landesstraßen liegt bei etwa 50 Jahren. „Ein großer Teil der Brücken in Nordrhein-Westfalen wurde in den 60er und 70er Jahren gebaut. Sie sind nicht für die heutigen Belastungen, insbesondere des Schwerverkehrs, ausgelegt“, sagte Minister Krischer.

Die im Frühjahr veröffentlichten Ergebnisse der Bauwerksprüfung stellen sich wie folgt dar:

Zustandsnoten Brücken
(Werte bezogen auf Anzahl Brücken)

 

1,0 bis 1,4

           

1,5 bis 1,9

2,0 bis 2,4

2,5 bis 2,9

3,0 bis 3,4

3,5 bis

4,0

Brücken Bundesstraßen

14,7 %

21,9 %

46,7 %

14,3 %

2,1%

0,2 %

Brücken Landesstraße

11,6 %

14,7 %

50,5 %

18,9 %

3,9 %

0,4 %

 

1,0 bis 1,4: sehr guter Bauwerkszustand
1,5 bis 1,9: guter Bauwerkszustand
2,0 bis 2,4: befriedigender Bauwerkszustand

2,5 bis 2,9: ausreichender Bauwerkszustand
3,0 bis 3,4: nicht ausreichender Bauwerkszustand
3,5 bis 4,0: ungenügender Bauwerkszustand

 

Alle Brücken, die in einem schlechten Zustand sind oder hohe Defizite in der Tragfähigkeit aufweisen, müssen schnellstmöglich erneuert oder ertüchtigt werden, um folgenschwere Einschränkungen für den Verkehr zu vermeiden. Dafür wurde im Rahmen der Sanierungsoffensive ein 10-Jahres-Programm zur Brückenerneuerung erarbeitet. In Summe sollen in den nächsten 10 Jahren rund 400 Brücken in Zuständigkeit des Landes erneuert werden.

In den vergangenen Jahren ist der Brückenbestand, unter anderem bedingt durch den großen Anteil älterer Bauwerke, stark in den Fokus gerückt. Immer wieder werden Brückensperrungen oder Lastbeschränkungen erforderlich, die der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen vor allem auf den stark gestiegenen Güterverkehr der vergangenen Jahrzehnte zurückführt, durch den sich die Belastung insbesondere der Brücken im Zuge von Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen deutlich erhöht hat. Hinzu kommt, dass sich über die Jahrzehnte auch die zulässigen maximalen Achslasten und Gesamtgewichte für schwere Lkw kontinuierlich erhöht haben.

„Gleichzeitig bestehen bei vielen Brücken strukturelle Mängel“, sagte Dr. Beckefeld von Straßen.NRW. So sei zum Beispiel in den Hoch-Zeiten des Brückenbaus von Anfang der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre in der Regel sehr materialsparend – und somit nur mit geringen statischen Reserven – gebaut worden. Petra Beckefeld: „In Kombination mit den heutigen wesentlich höheren Verkehrslasten und -mengen ergeben sich Defizite, die bei vielen Bauwerken auch mit den seinerzeitig eingerechneten Sicherheiten nicht mehr vollständig zu kompensieren sind.“

Darüber hinaus sind im Zuge von Autobahnen laut Information des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in Nordrhein-Westfalen weitere 873 Brücken-Teilbauwerke weiterhin besonders sanierungsbedürftig.

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