Landesregierung führt Dunkelfeldstudie zu Antisemitismus durch

11. Oktober 2022
Gruppenfoto mit unterzeichnetem Kooperationsvertrag

Eine neue empirische Untersuchung zur Verbreitung antisemitischer Vorurteile und Ressentiments in der Gesellschaft soll dazu beitragen, weitere Strategien für das gezielte Vorgehen gegen Antisemitismus zu entwickeln.

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Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen tritt Antisemitismus in all seinen Formen konsequent und entschieden entgegen. Eine neue empirische Untersuchung zur Verbreitung antisemitischer Vorurteile und Ressentiments in der Gesellschaft soll dazu beitragen, weitere Strategien für das gezielte Vorgehen gegen Antisemitismus zu entwickeln. Diese Untersuchung soll die aktuell unzureichende Datenlage verbessern. Sie wird gemeinsam mit den ausgewiesenen Experten Professor Dr. Heiko Beyer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Professor Dr. Lars Rensmann von der Universität Passau durchgeführt.

Die Studie beleuchtet die unterschiedlichen milieuspezifischen und situativen Ausprägungen antisemitischer Rede- und Verhaltenspräferenzen und soll mit der zu gewinnenden Datenbasis den Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen gerade in spezifischen sozialen und situativen Kontexten, Formen und Ausmaßen erfassen und die Milieus erhellen. Aus den Ergebnissen sollen dann Handlungsempfehlungen für die Arbeit der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen und der Landesregierung entwickelt werden, die eine gezieltere Präventionsarbeit ermöglichen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen: „Warum finden antisemitische Verschwörungsmythen in jeder Krise immer wieder einen so großen Zulauf – sei es in der Finanzkrise oder Corona-Pandemie? Sie scheinen immer wieder auf fruchtbaren Boden zu fallen, denn antisemitische Vorurteile und Ressentiments sind in unterschiedlicher Ausprägung zu finden. Statistisch erfasst werden Straftaten und Vorfälle mit antisemitischem Hintergrund. Daraus können wir aber nur in einem gewissen Rahmen Rückschlüsse auf die Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen und Ressentiments ziehen. Wir brauchen einen umfassenderen Einblick, und deshalb soll die Datenbasis mit der Studie erweitert werden. Wenn ein antisemitischer Vorfall passiert, ist es schon zu spät. Die Verletzung der Menschenwürde ist bereits eingetreten und es kann nur noch repressiv reagiert werden. Meine Aufgabe als Antisemitismusbeauftragte ist es, gerade durch gute Präventionsarbeit dem Antisemitismus zu begegnen. Für diese Arbeit wird die Studie wichtige Erkenntnisse liefern. Ich freue mich, dass ich mit Minister Reul einen Mitstreiter für diese wichtige Arbeit an meiner Seite weiß und wir gemeinsam diese Studie durchführen.“

Minister des Innern Herbert Reul: „Wer Antisemitismus erfolgreich bekämpfen will, muss das Problem aus verschiedenen Perspektiven unter die Lupe nehmen. Jüdisches Leben muss in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein und zwar ohne Angst oder Sorge vor gewalttätigen Angriffen. Die Unterstützung dieses Gemeinschaftsprojekts der Antisemitismusbeauftragten, der Landespolizei und der zwei Universitäten war für mich daher selbstverständlich. Je mehr wir darüber wissen, wie Antisemitismus entsteht, desto effektiver können wir mit Prävention effektiv entgegenwirken. Wir hoffen mit der Studie außerdem, neue Ansätze und Erkenntnisse auch zur Bekämpfung anderer Formen von Extremismus zu gewinnen.“

Prof. Dr. Heiko Beyer: „Bei Umfragen zu als tabuisiert wahrgenommen Themen beobachten wir in der Regel, dass die Befragten nicht wahrheitsgemäß, sondern sozial erwünscht antworten. Befragte, die Fragebögen ausfüllen, passen ihr Antwortverhalten häufig an wahrgenommene soziale Normen an. In Anbetracht der Tatsache, dass diskriminierende Einstellungen im Allgemeinen und antisemitische Überzeugungen im Besonderen in den meisten Ländern als gesellschaftlich inakzeptabel angesehen werden, wenn sie in der Öffentlichkeit geäußert werden, sind die Antworten in bisherigen Umfragen höchstwahrscheinlich stark verzerrt. In der Studie werden deshalb neben klassischen Befragungsinstrumenten auch experimentelle Umfragedesigns eingesetzt, um validere Ergebnisse zu erzielen. Nur so können Ursachen und Verbreitung antisemitischer Einstellungen in verschiedenen gesellschaftlichen Milieus genauer ermittelt werden.“

Prof. Dr. Lars Rensmann: „Mit dieser Studie wird erstmals das Umfrage-Instrumentarium entscheidend im Hinblick auf modernisierte Formen des Antisemitismus erweitert. Die Kombination der eingesetzten Instrumente wird einen viel genaueren und umfangreicheren Blick auf Antisemitismus und seine gesellschaftliche Bedeutung in Nordrhein-Westfalen ermöglichen. Von diesen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen erhoffen wir uns vor allem auch entscheidende neue Erkenntnisse zur besseren, effektiveren und nachhaltigen Bekämpfung von Judenfeindschaft, nicht zuletzt im Kontext von Schulen, politischer Bildung und gesellschaftlichen Institutionen. Der empirische Fokus ist hierbei das Land Nordrhein-Westfalen, aber die Befunde werden ohne Zweifel auch weit über das Land hinaus Bedeutung haben.“

Die beiden Kooperationspartner, Prof. Dr. Beyer von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und Prof. Dr. Rensmann von der Universität Passau, sind Experten auf dem Gebiet der Ursachen und Auswirkungen des Antisemitismus und verfügen über vielfältige Erfahrungen mit der Durchführung von Datenerhebungen und deren Analyse und Bewertung. Auch die kriminalistisch-kriminologische Forschungsstelle in Nordrhein-Westfalen wird ihre Erkenntnisse einbringen. Die Befragung wird im Jahr 2023 durchgeführt, die Auswertung und Analyse soll zu einem ersten Zwischenbericht zu Beginn 2024 führen, abgeschlossen wird die Studie 2024.

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