
Wir brauchen Courage zum praktischen Handeln
In diesen Tagen bezeugen verschiedene Anlässe, dass jüdisches Leben in Deutschland beständig in Gefahr ist. Es sind dies aktuell am letzten Wochenende der Angriff auf einen jüdischen Studenten vor der Synagoge in Hamburg sowie die wiederkehrenden Daten der Anschläge auf die Synagogen in Düsseldorf am 2. Oktober 2000, auf die Alte Synagoge in Essen am 7. Oktober 2000 und die mörderische Tat in Halle am 9. Oktober 2019.
Vier Taten, die in ihrer individuellen Schrecklichkeit für die Opfer und Betroffenen das allgegenwärtige Ausmaß von antisemitischer Gewalt in unserer Gesellschaft zeigen. Der Autor Ronen Steinke protokolliert in seinem Buch „Terror gegen Juden“ eine umfassende Chronik antisemitischer Gewalt in Deutschland, die in einer Kontinuität seit 1945 immer wieder Fälle wie Halle, Hamburg, Düsseldorf, Essen und viele mehr hervorbringt. Die von der Polizei registrierten antisemitische Straftaten erreichten mit über 2.000 in 2019 eine Rekordzahl in den vergangenen 20 Jahren. Für das Dunkelfeld nicht angezeigter und nicht strafrechtlich relevanter Taten sind höhere Zahlen anzunehmen. Alte Formen antisemitischer Vorurteile und Verschwörungsmythen finden ganz aktuell in neuen Gewändern auf neuen Wegen in die Mitte der Gesellschaft. Wir haben uns scheinbar daran gewöhnt, darauf mit Betroffenheit und Sorge zu reagieren. Das reicht nicht!
- Beugen wir der Verbreitung antisemitischer Weltbilder durch sinnvolle Präventionsarbeit mit neuen pädagogischen Konzepten und Ansätzen vor.
- Widersprechen wir antisemitischen Vorurteilen, Hass- und Hetzreden wo wir ihnen in Schulbüchern, in Theaterstücken, in Reden von Politikern, im beruflichen oder privaten Umfeld begegnen.
- Befähigen wir Strafverfolgungs- und Justizbehörden dazu, neue Formen des Antisemitismus zu erkennen, einzuordnen und entsprechend zu ermitteln.
- Stärken wir das Vertrauen von antisemitischen Vorfällen Betroffener durch konsequentes Vorgehen gegen extremistisches Gedankengut in Sicherheitsbehörden.
Es ist seit Jahrzehnten der Alltag für Jüdinnen und Juden in Deutschland: Private Wachdienste und Polizeikräfte stehen vor Synagogen und jüdischen Einrichtungen. Das Leben mit Sicherheitskräften und Zäunen ist zu einer notwendigen Normalität geworden. Eine „Normalität“, die wir nicht akzeptieren dürfen. Gegen die wir uns alle tagtäglich zur Wehr setzen müssen.
Nach den Anschlägen im Jahr 2000 war erstmals vom notwendigen „Aufstand der Anständigen“ die Rede. 2020 brauchen wir Courage zum praktischen Handeln.