Statement von Ministerpräsident Armin Laschet zu dem Gespräch mit dem Präsidenten der Republik Türkei, Recep Tayyip Erdoğan

29. September 2018
Ministerpräsident Armin Laschet

Je angespannter die Zeiten sind, desto wichtiger ist der Dialog, auch der kritische. Ich habe heute den türkischen Staatspräsidenten Erdogan zu einem Gespräch am Flughafen empfangen. Das entspricht protokollarischen Gepflogenheiten gegenüber einem vom Bundespräsidenten eingeladenen Staatsgast.

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Je angespannter die Zeiten sind, desto wichtiger ist der Dialog, auch der kritische. Ich habe heute den türkischen Staatspräsidenten Erdogan zu einem Gespräch am Flughafen empfangen. Das entspricht protokollarischen Gepflogenheiten gegenüber einem vom Bundespräsidenten eingeladenen Staatsgast.
 
Ich bin zugleich der Auffassung, dass man in schwierigen Zeiten mehr durch Gespräche als durch Gesprächsverweigerung erreichen kann.
 
Die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei waren immer eng – schon allein wegen der vielen aus der Türkei stammenden Menschen unter uns.
 
So leben in Nordrhein-Westfalen rund 500.000 Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit, das ist jeder Dritte der insgesamt rund 1,5 Millionen Türkinnen und Türken in Deutschland. Dazu mehr als 900.000 türkischstämmige Bürger. 30 Städtepartnerschaften, über 50 Schul- und 300 Hochschulkooperationen sind weiteres Zeugnis der Verbindungen, ebenso die über 90.000 ausländischen Studierenden an nordrhein-westfälischen Hochschulen.
 
Gemeinsamkeiten und Verbindungen zeigen sich auch in der Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt der Türkei liegt mit rund 750 Milliarden Euro vergleichbar zu dem von Nordrhein-Westfalen. Die Türkei ist einer unser 15 wichtigsten Handelspartner mit einem Handelsvolumen von 8,2 Milliarden Euro. 400 türkische Unternehmen haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Bei den Direktinvestitionen liegt die Türkei auf Platz 4 hinter China, USA und den Niederlanden.
 
Und unsere gemeinsamen Interessen sind nicht nur bilateraler Natur. Daher habe ich mit dem Präsidenten auch über die Situation im Mittleren und Nahen Osten gesprochen. Ich begrüße ausdrücklich den gemeinsamen auf dieser Reise vereinbarten Vorstoß zu weiteren Gesprächen, zu dem Syrien-Gipfel mit dem russischen und dem französischen Präsidenten.
 
Diese intensiven Beziehungen zwischen beiden Ländern sind heute von der Sorge über die inneren Entwicklungen in der Türkei überschattet.
 
Diese Sorge betrifft in besonderer Weise die Verhaftungswellen, von der auch deutsche Staatsbürger betroffen waren und sind, den Umgang mit der Pressefreiheit und den Umgang mit der Religionsfreiheit.
 
Ich habe gegenüber Präsident Erdogan deutlich gemacht, dass eine Normalisierung der politischen Beziehungen und eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen – für die es ein großes Potenzial gäbe –  nur möglich ist, wenn diese Sorgen ernst genommen werden.
 
Natürlich habe ich in diesem Zusammenhang auch sehr konkrete Fälle von Deutschen angesprochen, die immer noch in türkischen Gefängnissen festgehalten werden. Ihre Familien stellen berechtigte Fragen und sind hin und her gerissen zwischen Hoffnungen und Befürchtungen.
 
Ich habe das Gespräch heute zu einem offenen Austausch mit Präsident Erdogan über die Lage in der Türkei genutzt. Sie betrifft auch uns in Nordrhein-Westfalen unmittelbar.
 
Ein Rechtsstaat, der die Menschenrechte wahrt und der den Werten der Demokratie Rechnung trägt, ist im Interesse aller. Er ist eben ausdrücklich im Interesse unserer Unternehmen, die bei möglichen  Investitionen vor allem Sicherheit erwarten. Er ist im Interesse der Zivilgesellschaft und nicht zuletzt gerade im Interesse der vielen Menschen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen, deren Familien ihre Wurzeln in der Türkei haben oder deren Eltern, Geschwister, Kinder oder Großeltern dort leben.
 
Dabei ist vollkommen klar: Zu einem funktionierenden Gemeinwesen gehört die Unabhängigkeit der Medien. Die Pressefreiheit darf nicht zur Disposition stehen.
 
Ich habe vor dem Besuch von Präsident Erdogan deutlich gemacht, was uns Menschen in Nordrhein-Westfalen, was mir persönlich, am Herzen liegt. Für diesen wichtigen Austausch über so grundlegende Fragen habe ich eine gemeinsame Eröffnung der Ditib-Moschee hier in Köln nicht als richtigen Ort angesehen. Gleichwohl weiß ich, wie vielen Menschen ein Ort des Gebets und der Zusammenkunft wichtig ist.
 
Zu einem Miteinander gibt es Erwartungen an alle. Ich bin überzeugt: Unsere Polizei, die Behörden insgesamt, tun alles zum Schutz der Versammlungsfreiheit und zur Wahrung unser aller Sicherheit. Sie sind dabei auf enge Kooperation angewiesen. Ich bin den Ordnungskräften ebenso dankbar wie den Menschen hier in Köln, die auf friedliche Weise ihre Meinung kundtun.
 

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